Zulässigkeit von befristeten Kettenarbeitsvertägen

Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 26.01.2012 in der Rechtssache C-586/10 (Kücük gegen Land Nordrhein-Westfalen) hat großes Echo in den Medien gefunden und es wurde dort oft verkürzend so dargestellt, dass unbeschränkt aufeinander folgende befristete Arbeitsverträge erlaubt seien.

Dabei ist zunächst in weiten Teilen der Berichterstattung untergegangen, dass für jeden einzelnen Arbeitsvertrag zu prüfen ist, ob eine Befristung möglich ist. Nach dem geltenden Recht ist dies grundsätzlich nur der Fall, wenn ein sachlicher Grund vorliegt, der eine Befristung rechtfertigt § 14 Abs. 1 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG).

Schon diese erste Hürde ist in der Praxis schwer zu nehmen, wobei vor allem auch darauf zu achten ist, dass die jeweilige Befristung und Anschlussbefristung vereinbart werden muss, bevor der Arbeitnehmer aufgrund des neuen Arbeitsvertrages zu arbeiten beginnt.

Im deutschen Recht sind die sachlichen Gründe in § 14 Abs. 1 S. 2 TzBfGenumerativ aufgezählt. Insbesondere die Befristung zum Zwecke der Vertretung eines anderen Arbeitnehmers ist ein solcher sachlicher Grund, der auch durch höhere sozialpolitische Ziele, wie die Ermöglichung von Elternzeit und Mutterschutz, gerechtfertigt wird.

Der Europäische Gerichtshof hat in seinem Urteil keineswegs festgestellt, dass eine uferlose Aneinanderreihung von befristeten Arbeitsverhältnissen nach Anzahl und Dauer möglich ist, sondern er hat zunächst festgehalten, dass die Anknüpfung an einem vorübergehenden Bedarf an Vertretungskräften grundsätzlich einen sachlichen Grund im Sinne des § 5 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung über befristete Verträge darstellen kann. Aus dem bloßen Umstand, dass ein Arbeitgeber gezwungen sein kann, wiederholt oder sogar dauerhaft auf befristete Vertretungen zurückzugreifen, und dass diese Vertretungen auch durch die Einstellung von Arbeitnehmern mit unbefristeten Arbeitsverträgen gedeckt werden können, folgt nicht, dass kein sachlicher Grund vorliegt oder dass ein Missbrauch von befristeten Arbeitsverhältnissen vorliegt.

Dies bedeutet, dass der Arbeitgeber nach wie vor entscheiden kann, wie er einen Vertretungsbedarf deckt. Er kann dies entweder über einen festeingestellten Springer tun, der dann jeweils die ausfallenden Arbeitskräfte ersetzt, wie dies beispielsweise für Krankheitsvertretungen als Vorhalt einer gewissen Arbeitskraftreserve in größeren Betrieben durchaus üblich ist. Er kann aber genauso gut den Arbeitskraftbedarf im Falle einer Vertretung, insbesondere bei absehbarer Dauer des Vertretungsbedarfs auch über befristete Arbeitsverhältnisse decken.

Allerdings – und dies hält der Europäische Gerichtshof ausdrücklich fest – müssen die Arbeitsgerichte bei der Beurteilung der Frage, ob die Verlängerung befristeter Arbeitsverträge durch einen solchen sachlichen Grund gerechtfertigt ist, alle Umstände des Falls, insbesondere die Anzahl und die Gesamtdauer der in der Vergangenheit mit demselben Arbeitgeber geschlossenen befristeten Arbeitsverträge, berücksichtigen. Hieraus kann sich sehr wohl ein Missbrauch im konkret zu überprüfenden Einzelfall ergeben. Insbesondere kann sich aus Anzahl und Dauer der Verträge auch ergeben, dass ein nicht nur vorübergehender Bedarf vorhanden ist, sondern eben ein dauerhafter Bedarf, der ständig vorliegt und der dann eine Befristung nicht mehr rechtfertigt. Gerade diese Anzahl und Dauer der aufeinanderfolgenden befristeten Arbeitsverhältnisse kann ein Hinweis auf einen Missbrauch der Befristungsregelungen sein, den § 5 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung über befristeten Arbeitsverhältnisse gerade verhindern will.

Gerade bei einem ständigen Bedarf an Vertretung von Arbeitnehmern, der sich beispielsweise aus der bloßen Anzahl der beschäftigten Arbeitnehmer und des dadurch verursachten häufigeren Auftretens von Elternzeit oder langfristigen Krankheitsvertretungen ergeben kann, ist also ganz genau zu prüfen, ob im Einzelfall eine Befristung noch möglich ist.

Christian Schlemmer

Fachanwalt für Arbeitsrecht
Karlsruhe