Zugang einer geschäftlichen E-Mail

Für das Wirksamwerden einer Willenserklärung, wie beispielsweise eine Kündigung, Stornierung oder aber die Annahme eines Angebots, kommt es stets auf den Zeitpunkt des Zugangs beim Empfänger an.

Bei Briefen, die in den Briefkasten eingeworfen werden, liegt der Zugang vor, sobald nach der Verkehrsanschauung mit der nächsten Entnahme zu rechnen ist. Dabei darf aber nicht darauf abgestellt werden, dass mit einer Briefkastenleerung nur vormittags zu rechnen ist. Viele Anbieter stellen auch nachmittags zu. Berufstätige kommen erst vielfach nach 18.00 Uhr nach Hause (Palandt/Ellenberger, 71. Auflage 2012, § 130 Rn. 6). Entsprechend hat sich eine Rechtsprechung herausgebildet, wonach bis 18.00 Uhr eingeworfene Briefe noch am selben Tag zugehen (BayVerfGH NJW 93, 518, Landgericht Stuttgart BB02, 380, Palandt, a.a.O.). Der jedoch später, also nach Schluss der Geschäftszeiten und insbesondere in der Nacht eingeworfene Brief geht hingegen erst am nächsten Morgen bzw. mit Wiederbeginn der Geschäftsstunden zu (BGH, VersR 94, 586, BAG NJW 1984, 1651, Palandt, a.a.O.).

Interessant ist nun, wann eine geschäftliche E-Mail zugeht. Kommt es bei diesen bereits auf den Zeitpunkt der Abrufbarkeit oder doch darauf an, wann üblicherweise – entsprechend der Briefpost – mit der Kenntnisnahme der E-Mail gerechnet werden kann?

Zu dieser Frage musste das Amtsgericht Meldorf, Urteil vom 29.03.2011 – 81 C 1601/10 –, entscheiden. Das Gericht stellte darauf ab, dass die Privatautonomie und die Berufsfreiheit in unzulässiger Weise eingeschränkt würden, wenn man vom Inhaber einer Vorrichtung zum Empfang von geschäftlichen E-Mails verlangen würde, diese pausenlos zu überwachen und stellte stattdessen auf die üblichen Geschäftszeiten ab (Rd. 19 ff.; vgl. Engels in ITRB 2011, 157 f.).

So entschied das Amtsgericht, dass eine E-Mail, die von einem Kunden um 20.38 Uhr an ein Reisebüro versandt wurde, außerhalb der üblichen Geschäftszeiten lag und damit nicht schon bei Abrufbarkeit zugegangen war.

Ergebnis: Entsprechend der Briefpost ist der Inhaber eines geschäftlichen E-Mail-Postfachs nicht verpflichtet, zu jeder Zeit zu prüfen, ob ihm E-Mails zugesandt wurden. Der Zugang einer nach den Geschäftszeiten versandten E-Mail liegt erst am Folgetag zu den üblichen Geschäftszeiten. Eine Ausnahme des Zugangs liegt aber dann vor, wenn der Inhalt der E-Mail tatsächlich bereits vorher zur Kenntnis gelangt sein sollte.

Gerade wenn es auf die Einhaltung von Fristen ankommt, beispielsweise der Einhaltung einer Kündigungsfrist, kann die Frage nach den Geschäftszeiten daher durchaus relevant werden.

 

Jürgen Höffler

Rechtsanwalt<p/>

Karlsruhe