Weitere Einschränkung der Freiwilligkeitsvorbehalte durch das Bundesarbeitsgericht

Das Bundesarbeitsgericht hat in der Entscheidung vom 22.02.2013, 11 AZR 177/12, die Gültigkeit von Freiwilligkeitsvorbehalten in Arbeitsverträgen stark eingeschränkt.

Im vorliegenden Fall war unter der Überschrift „Freiwillige soziale Leistungen“ nochmals darauf hingewiesen worden, dass freiwillige soziale Leistungen sich nach dem betriebsüblichen Rahmen richten und zur Zeit folgende Leistungen gewährt werden, die dann auch der Höhe nach präzise bestimmt waren. Es war dann festgelegt worden, dass die Zahlungen dieser betrieblichen Sondervergütungen in jedem Einzelfall freiwillig und ohne Begründung eines Rechtsanspruchs für die Zukunft erfolgt. Anlässlich der Zahlung war jeweils zusätzlich darauf hingewiesen worden, dass die Gratifikationen freiwillige Leistungen sind, auf die kein Rechtsanspruch besteht und auch in den Folgejahren hieraus kein Anspruch hergeleitet werden kann.

Dennoch nahm das Bundesarbeitsgericht an, dass die Leistung abschließend gewährt worden sei und die Freiwilligkeitsvorbehalte wegen Unklarheit der Klauseln gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unwirksam sei.

Das Bundesarbeitsgericht hatte in ständiger Rechtsprechung schon starke Einschränkungen bei den Freiwilligkeitsvorbehalten vorgenommen (BAG Urteil vom 14.09.2011, 10 AZR 526/10), so beispielsweise bei einer unwirksamen Kombination von Freiwilligkeits- und Widerrufsvorbehalten. Nun geht es noch weiter, indem es zunächst ausführt, dass eine Formulierung, nach der vom Arbeitgeber ein Bonus oder eine Gratifikation oder eine Sonderleistung gezahlt wird oder der Arbeitnehmer eine solche Leistung erhält, typisch für die Begründung eines Entgeltanspruches sei. Es verweist hierbei auch auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 30.07.2008, 10 AZR 606/07. Wenn darüber hinaus auch die Höhe der Leistung präzise festgelegt ist, kann noch mehr davon ausgegangen werden, dass hier eine Begründung eines Entgeltanspruches gewollt gewesen sei. Einer solchen Begründung eines Entgeltanspruches könne dann ein Freiwilligkeitsvorbehalt nicht mehr entgegenstehen, selbst wenn sowohl in der Überschrift als auch später ausdrücklich die Leistung als freiwillig bezeichnet wird. Denn die Bezeichnung als „freiwillig“ könne auch zum Ausdruck bringen, dass der Arbeitgeber nicht durch Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder Gesetz zu dieser Leistung verpflichtet sei. Eine solche Bezeichnung genüge für sich genommen nicht, um einen Rechtsanspruch auf die Leistung auszuschließen. Denn diesen Formulierungen könne nicht entnommen werden, dass der Arbeitgeber sich damit einen völligen Entzug der Leistung vorbehalten wollte. Es gelte insbesondere der Kontext mit der Zusage von konkreten Eurobeträgen. Unklarheiten gingen zu Lasten des verwendeten Arbeitgebers gemäß § 305 c Abs. 2 BGB.

Zudem wird in dieser Entscheidung festgehalten, dass ein genereller Freiwilligkeitsvorbehalt, wonach die Zahlung von betrieblichen Sondervergütungen keinen Rechtsanspruch für die Zukunft begründen soll, ebenfalls ein Verstoß gegen das Transparenzgebot sei. Denn auch das stünde im Widerspruch zu der klaren Entgeltgewährung in den vorausgehenden Formulierungen.

Die späteren Erklärungen bei Gewährung der Leistung könnten dem auch nicht entgegenstehen, da ein einmal gewährter Anspruch nicht durch einseitige Erklärung beseitigt werden könnte.

Mit dieser Rechtsprechung bleibt nunmehr nicht mehr viel Spielraum für die Formulierung von Freiwilligkeitsvorbehalten, insbesondere wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eben auch mit diesen freiwilligen Leistungen, die ja oft Teil eines gesamten Paktes sind, locken will, denn dann muss er nämlich die Höhe und die Gewährung konkret zusagen.

Um also eine Leistung freiwillig gewähren zu können, ist es wohl notwendig, dass weder ein konkreter Betrag der gewährten Leistung genannt wird, noch darf eine Formulierung gewählt werden, aus der sich ergeben kann, dass tatsächlich abschließend ein Entgeltanspruch begründet werden soll. Auch allein die Verwendung des Wortes „freiwillig“ genügt wohl nicht.

Es müsste daher formuliert werden, dass man sich vorbehält, in der Zukunft weitere Leistungen zu gewähren und diese Leistung evtl. bis zu einer Höhe eines bestimmten Betrages gewähren will. Hier sollte in der Überschrift und vor und nach dieser evtl. zu leistenden freiwilligen Leistung ausdrücklich ausgeführt werden, dass damit kein Entgeltanspruch begründet wird und dass der Arbeitgeber sich eine jederzeitige Wegnahme der Leistung ausdrücklich vorbehält.

Ob damit diese Klauseln tatsächlich klarer und verständlicher werden und noch den entsprechenden Anreizcharakter für die Arbeitnehmer haben werden, sei dahingestellt. Wahrscheinlicher ist, dass Arbeitgeber von solchen freiwilligen Leistungen in Zukunft noch viel verstärkter absehen werden. Ob damit das Bundesarbeitsgericht seine Intension, den Arbeitnehmerschutz zu erhöhen, nachgekommen ist, ist äußerst fraglich.

 

Christian Schlemmer

Fachanwalt für Insolvenzrecht

Fachanwalt für Arbeitsrecht

 

Karlsruhe

 

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