Was kann ich als Arbeitgeber gegen psychische Belastungen meiner Mitarbeiter tun? - die arbeitsschutzrechtliche Gefährdungsbeurteilung bei psychischen Erkrankungen

Psychische Erkrankungen sind immer häufiger Grund für Arbeitsunfähigkeit. Dies liegt einerseits an einem Bewusstseinswandel, wie mit psychischen Erkrankungen umgegangen wird, aber auch an einer immer häufigeren Diagnose. Einen Großteil der Erkrankungen sind Depressionen und Angststörungen. Aber auch Verhaltensstörungen spielen in diesem Zusammenhang eine Rolle.

Arbeitgeber sind in der Pflicht entsprechende Maßnahmen zu treffen, um die psychischen Belastungen ihrer Mitarbeiter zu verringern oder zu beseitigen. Für psychische Belastungen gilt ebenfalls die arbeitsschutzrechtliche Generalklausel des § 3 ArbSchG.

Der Arbeitgeber hat daher für eine umfassende Gefährdungsbeurteilung alle psychischen Belastungen an sämtlichen Arbeitsplätzen zu evaluieren.

Die Gefährdungsbeurteilung umfasst hingegen nicht, die psychische Beanspruchung der einzelnen Arbeitnehmer.

Vielmehr ist die Gesamtheit aller erfassbaren Einflüsse, die von außen auf den Menschen oder psychisch auf ihn einwirken, zu erfassen. (DIN 10075-1) Es ist unerheblich, ob es sich hierbei um positive oder negative Einflüsse handelt oder wie hoch das etwaige Schädigungspotenzial ist. Entscheidend für die Gefährdungsbeurteilung ist lediglich, dass zunächst die Gesamtheit der Einflüsse erfasst wird.

Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass die Erfassung arbeitnehmerbezogener Daten im Hinblick auf eine psychische Beanspruchung der Regelung des §9 Abs. 1 DSGVO unterliegt. Entsprechend müssen auch entsprechende Maßnahmen für den Datenschutz getroffen werden (z.B. anonymisierte Befragung und Ergebnisse).

Wie kann ich als Arbeitgeber entsprechende Belastungen erfassen?

 

Konkretisierte Regelungen finden sich etwa in Verordnungen des BMAS (etwa die BetrSichV), durch die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) veröffentlichten technischen Regeln veröffentlichten technischen Regeln und in Unfallverhütungsvorschriften.

Hierzu zählen z.B.:

  • Lärmschutz am Arbeitsplatz, der Arbeitsplatz sollte keinem dauerhaften Lärm ausgesetzt sein, der die Konzentration unzumutbar stört (die Grenze 46dB(A) sollte nicht überschritten werden. (ASR A3.7 Lärm)
  • Größe des Bildschirmarbeitsplatzes, der Arbeitsplatz muss mindestens eine Grundfläche von 8-10 m² (inklusive Möbeln) haben und eine Bewegungsfläche von mindestens 1,5 m² besitzen (Ziff. 5 ASR A 1.2)
  • Ausreichend großer Ablagefläche auf den Schreibtischen, sodass individuelle Einrichtung auf dem Schreibtisch möglich ist. (Ziff 6.1 Abs. 6 Anhang zur ArbStättV)
  • Zugänglichkeit eines Pausenraumes (ASR A4.2 „Pausen- und Bereitschaftsräume“; ASR 4.2 Anhang ArbStättV) und Versorgung mit Tageslicht (ASR A3.4 „Beleuchtung“).

Festzuhalten ist jedoch, dass psychische Belastungen regelmäßig auch eine individuelle Komponente haben, die nicht durch feste Regelungen ausreichend abgebildet werden können. Für eine umfassende Beurteilung ist daher erforderlich, dass auch in individueller Hinsicht die Arbeitsumstände der Mitarbeiter erfasst werden.

Sinnvollerweise werden hierzu bei größeren Betrieben entsprechende Teilbereiche gebildet, in denen sich ähnlich gelagerte Arbeitsbedingungen finden. (§5 Abs. 2 S. 2 ArbSchG)

Hierfür gibt es drei von den Arbeitsschutzbehörden anerkannte Methoden:

  • Standardisierte schriftliche Mitarbeiterbefragungen
  • Beobachtungsinterviews und
  • moderierte Analyseworkshops.

Hierfür ist es üblich externe Arbeitsschutzexperten zu beauftragen, die einen entsprechenden Fragebogen erstellen und die Ergebnisse entsprechend pseudonymisiert zur Auswertung zur Verfügung stellen. Beobachtungsinterviews werden hingegen aufgrund des hohen Aufwands recht selten durchgeführt. Insbesondere in kleineren Betrieben kann sich ein moderierte Analyseworkshop anbieten. Dieser stellt kein starres Verfahren dar, sondern zielt auf eine konsensuale Lösung ab. Der Erfolg ist dabei regelmäßig von Moderation und Teilnehmern abhängig. Zielsetzung sollte für all diese Ermittlungsmaßnahmen sein, dass entsprechende Belastungen der Arbeitnehmer erkannt werden, um hierbei zumindest teilweise Abhilfe schaffen zu können. Die konkreten Maßnahmen können hierbei sehr individuell sein.

Welche Konsequenzen kann es für mich haben, wenn ich eine entsprechende Gefährdung Beurteilung nicht durchführe?

 

Wenn die Gefährdung Beurteilung nicht oder unzureichend durchgeführt wird, verstößt der Arbeitgeber gegen geltendes Arbeitsschutzrecht. Die Arbeitsschutzbehörde kann den Arbeitgeber durch Anordnung gem. § 23 Abs. 3 ArbSchG verpflichten eine Gefährdungsbeurteilung durchzuführen oder die bestehende Gefährdungsbeurteilungen entsprechend nachzubessern. Auch die mangelnde, nicht rechtzeitige oder unvollständige Dokumentation kann ein Bußgeld von bis zu 5.000 € nach sich ziehen. (§9 Abs. 1 Nr. 1 ArbStättV, §25 Abs. 1 Nr. 1 ArbSchG) Bei einer Zuwiderhandlung gegen eine vollziehbare Anordnung der Arbeitsschutzbehörde kann ein Bußgeld bis zu 30.000 EUR drohen.

Eine Sanktion wird jedoch äußerst selten verhängt, da die Kontrolldichte relativ gering ist. Arbeitgebern ist dennoch zu raten, psychische Belastungen ihrer Arbeitnehmer ernst zu nehmen und entsprechende Arbeitsschutzmaßnahmen in eigenem Interesse durchzuführen. Letztlich schadet ein belastendes Arbeitsumfeld auch der Zufriedenheit und Motivation der gesunden Arbeitnehmer.

Welche Präventionsmaßnahmen kann ich als Arbeitgeber treffen?

 

Psychische Erkrankungen können insbesondere durch Überlastung und Überforderung im Arbeitsverhältnis bei dem Betroffenen ausgelöst werden. Ziel von Maßnahmen sollte es daher sein entsprechende Überlastungssituationen zu vermeiden oder zumindest zu reduzieren.

Für Mitarbeiter bei denen aufgrund einer psychischen Erkrankung eine Wiedereingliederung notwendig ist bieten sich folgende Maßnahmen im Rahmen eines betrieblichen Eingliederungsmanagements an:

  • Bei Belastung durch zwischenmenschliche Konflikte am Arbeitsplatz, probeweise Wiedereingliederung in einer anderen Abteilung
  • Reduzierung der Wochenarbeitszeit dauerhaft oder vorübergehend mit Einverständnis des betroffenen Arbeitnehmers, um längere Erholungsphasen zu ermöglichen
  • Stufenweise Wiedereingliederung nach dem Hamburger Modell, §44 SGB XI, § 74 SGB V

Fazit:

 

Arbeitgeber sollten Belastungen am Arbeitsplatz nicht auf die leichte Schulter nehmen und psychische Erkrankungen ihrer Arbeitnehmer ernst nehmen. Im eigenen Interesse sollte der Arbeitgeber Maßnahmen treffen, die psychische Belastungen am Arbeitsplatz beseitigen oder zumindest reduzieren.

In diesem Zusammenhang ist auch die Dokumentation „Arbeit ohne Sinn“ in der Arte-Mediathek zu empfehlen (Link: Arbeit ohne Sinn - Die ganze Doku | ARTE), die eindrucksvoll zeigt, dass psychische Überlastung am Arbeitsplatz nicht nur negative Auswirkungen auf die Gesundheit der Mitarbeiter hat, sondern auch deren Produktivität in erheblichem Maße beeinträchtigt.

Tätigkeitsfelder von Kai Meyerding

  • Familie, Erbe und Vermögen, Unternehmen und Unternehmer, Prozessführung und Schiedsgerichtsbarkeit, Arbeit und Beruf