Verrechnung von Arbeitsguthaben mit Minusstunden

Viele Arbeitgeber ermöglichen es ihren Arbeitnehmern, Arbeitszeiten flexibel zu handhaben, und haben dabei eine Vielzahl von Arbeitszeitmodellen eingeführt. In der Praxis stellen sich jedoch immer wieder Schwierigkeiten ein, wenn unvorhergesehene Konstellationen eintreten. Gibt es keine Betriebsvereinbarung oder keine Regelung im Arbeitsvertrag oder im Tarifvertrag, aus der sich die Handhabung von Mehrarbeit und Minderarbeit ergibt, so kann nicht immer ein entstandenes Arbeitszeitguthaben mit sog. Minusstunden verrechnet werden. Dies hat das Bundesarbeitsgericht in seinem Urteil vom 31.03.2012 (5 AZR 676/11) nun noch einmal bestätigt.

Dort hatte eine Arbeitnehmerin Überstunden geleistet, die auf einem Arbeitszeitkonto gut geschrieben wurden. Durch eine Änderung des Tarifvertrages konnte für einen Zeitraum von drei Monaten die geschuldete Hauptarbeitszeit nicht vollständig erbracht werden. Der Arbeitgeber hatte dann das Guthaben mit der nicht geleisteten Arbeit der vergangenen Monate verrechnet. Dies war nicht statthaft, wie das Bundesarbeitsgericht nun festgehalten hat. Ausgangspunkt ist, dass jeder Arbeitgeber dafür zu sorgen hat, dass die vertraglich vereinbarte Wochenarbeitszeit auch geleistet werden kann. Liegt hier arbeitgeberseitig ein Versäumnis derart vor, dass die geleistete Arbeit nicht der geschuldeten Wochenarbeitszeit entspricht, so ist ohne gesonderte Regelung eine Verrechnung mit in anderen Wochen geleisteter Mehrarbeit nicht möglich.

Es ist also darauf zu achten, dass für den Fall flexibler Arbeitszeiten in jedem Fall eine Regelung, sei es über einen Tarifvertrag, eine Betriebsvereinbarung oder den Arbeitsvertrag selbst getroffen wird, der eine solche Verrechnung von Arbeitszeiten ermöglicht. Kann ein Arbeitgeber absehen, dass er aufgrund saisonaler oder konjunktureller Schwankungen in einigen Wochen einen Mehrbedarf und in einigen Wochen einen Minderbedarf an der Arbeitskraft haben wird, so empfiehlt sich eine solche arbeitsvertragliche Regelung zu einem Arbeitszeitkonto. Somit können dann über dieses Arbeitszeitkonto geleistete Mehrarbeit mit Wochen mit weniger Beschäftigung verrechnet werden.

Christian Schlemmer

Fachanwalt für Arbeitsrecht
Karlsruhe