Städtebauliche Erforderlichkeit von Nutzungsausschlüssen in Gewerbegebieten

Eine städtebauliche Rechtfertigung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 BauGB liegt für den Ausschluss einzelner Nutzungsfestsetzungen eines Gewerbegebiets bereits dann vor, wenn sich die Gemeinde im Rahmen ihrer städtebaulichen Entwicklungs- und Ordnungsvorstellungen hält und den Festsetzungen im Bebauungsplan in Bezug auf diese Ziele Förderpotential zukommt.

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Bebauungspläne dürfen Gemeinden nur dann erlassen, wenn diese städtebaulich erforderlich sind (§ 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB). In der bundesverwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung ist seit längerem klargestellt worden, dass dieses Erfordernis nicht für den Plan als Ganzes, sondern auch für seine einzelnen Festsetzungen gilt. Das Bundesverwaltungsgericht hatte sich nun mit der Frage auseinanderzusetzen, ob diese Erforderlichkeit bereits dann fehlt, wenn eine Gemeinde sich nicht konsistent verhält, weil sie etwa einige Nutzungen verbietet, vergleichbare andere Nutzungen aber weiterhin erlaubt.

Diese Frage hat das Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 10.09.2015 – 4 CN 8/14 – mit „Nein“ beantwortet. Es geht allerdings um das in § 1 Abs. 7 BauGB geregelte Abwägungsgebot, nicht aber § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB (Erforderlichkeitsgebot).

Im konkreten Fall hatte eine Gemeinde zum Schutz eines hochwertigen Gewerbegebiets (ohne strukturelle Störungen) Lagerhäuser ausgeschlossen, nicht aber die in gleicher Weise störenden Lagerplätze. Das Bundesverwaltungsgericht hat ausgeführt, dass § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB kein „alles oder nichts“ fordere. Bebauungsplanfestsetzungen scheitern nicht an dieser Vorgabe, wenn sie ein städtebauliches Ziel nur unvollkommen oder unvollständig erreichen. Nicht erforderlich, so das Bundesverwaltungsgericht, seien lediglich solche Festsetzungen, die von vornherein nicht geeignet seien, die Zielerreichung zu fördern, etwa weil sie überschießend sind oder das Planungsziel konterkarieren. Dies stelle die Gemeinde allerdings nicht von gerichtlicher Kontrolle frei, ordnet diese Fragen aber dem Abwägungsgebot des § 1 Abs. 7 BauGB zu. Diese Unterscheidung habe auch praktische Folgen für die gerichtliche Kontrolle. Denn wenn bestimmte Fragen dem Abwägungsgebot und nicht der städtebaulichen Erforderlichkeit zugeordnet werden, begünstige dies die Gemeinden, da dadurch ihre Planungshoheit erweitert werde. Ob eine Gemeinde gegen § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB verstoße, unterliege umfassender gerichtlicher Kontrolle. Anders sei dies dagegen beim Abwägungsgebot. Hier sei die gerichtliche Kontrolle auf das Vorliegen eines der in der Rechtsprechung anerkannten Abwägungsfehler beschränkt. Hinzu kommt, dass die Beachtlichkeit von Fehlern unterschiedlich geregelt ist: Die mangelnde Erforderlichkeit einer Bauleitplanung sei ein „Ewigkeitsfehler“. Er sei stets und unabhängig von Rügen betroffener beachtlich. Anders sei dies bei Abwägungsfehlern.

 

Dr. Rico Faller

Fachanwalt für Verwaltungsrecht

 

Karlsruhe

 

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