Reiche Muttergesellschaft erhöht nicht das Volumen des Sozialplans bei einer GmbH

Urteil des BAG vom 15.03.2011 unter Mitwirkung von Frau RAin Karen Fiege, Fachanwältin für Arbeitsrecht (Team Arbeitsrecht) und Herrn RA Dr. Oliver Melber, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht mit Herrn RA Jürgen Höffler (Team Gesellschaftsrecht)

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat am 15.03.2011 den Spruch der Einigungsstelle in einem Sozialplanverfahren wegen mangelnder wirtschaftlicher Vertretbarkeit des Sozialplans im Hinblick auf die Vermögensverhältnisse des Arbeitgebers für unwirksam erklärt.

Hintergrund war Folgender:

Können sich Betriebsparteien nicht auf die Vereinbarung eines Sozialplans verständigen, entscheidet die Einigungsstelle. Bei ihrem Spruch hat sie gemäß § 112 Abs. 5 BetrVG die sozialen Belange der Arbeitnehmer zu berücksichtigen und auf die wirtschaftliche Vertretbarkeit der Sozialplandotierung zu achten. Hierfür ist auf die finanzielle Leistungsfähigkeit des Arbeitgebers (Unternehmens) abzustellen. Dies gilt grundsätzlich auch für Sozialpläne konzernangehöriger Unternehmen. Ist allerdings ein solches Unternehmen durch eine Spaltung im Sinne des Umwandlungsgesetzes entstanden und sind dabei die zur Führung seines Betriebs wesentlichen Vermögensteile bei dem übertragenden Unternehmen als Anlagegesellschaft verblieben und dem später sozialplanpflichtigen Unternehmen als Betriebsgesellschaft lediglich zur Nutzung überlassen worden, ist nach § 134 UmwG bei der Bestimmung des Sozialplanvolumens im Wege eines Bemessungsdurchgriffs auch die finanzielle Leistungsfähigkeit der Anlagegesellschaft zu berücksichtigen.

Hier hatte eine AG sechs Betriebe. Diese gliederte sie Anfang des Jahres 2006 auf sechs Betriebsgesellschaften aus. In fünf Fällen behielt die AG das Eigentum an den Betriebsgrundstücken. Im sechsten, streitgegenständlichen Fall einer GmbH (Arbeitgeberin) war die AG nur Pächterin der Betriebsimmobilie gewesen. Ende 2006 beschloss die Arbeitgeberin, ihren hoch defizitären Betrieb einzustellen. Daraufhin wurde durch Spruch der Einigungsstelle ein Sozialplan mit einem Gesamtvolumen von 1,3 Mio. Euro aufgestellt. Zu dieser Zeit wies die Bilanz der Arbeitgeberin einen durch Eigenkapital nicht gedeckten Fehlbetrag von rund 3 Mio. Euro aus.

Das Hessische Landesarbeitsgericht hatte die Auffassung vertreten, dass die Einigungsstelle bei der Bemessung des Sozialplanvolumens bei der GmbH einen Haftungs- und Bemessungsdurchgriff auf das Vermögen der AG vornehmen durfte. Dagegen waren wir mit einer Nichtzulassungsbeschwerde und Rechtsbeschwerde vorgegangen.

Unser auf die Feststellung der Unwirksamkeit des Einigungsstellenspruchs gerichteter Antrag hatte vor dem Ersten Senat des Bundesarbeitsgerichts Erfolg. Der Spruch der Einigungsstelle überschreitet die Grenzen der wirtschaftlichen Vertretbarkeit und verstößt deshalb gegen § 112 Abs. 5 BetrVG. Ein Bemessungsdurchgriff nach § 134 UmwG auf die vermögende AG war der Einigungsstelle verwehrt. Im Zuge der Ausgliederung waren der Arbeitgeberin keine für die Fortführung ihres Betriebs wesentlichen Vermögensteile entzogen worden.

Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 15. März 2011 - 1 ABR 97/09 - Vorinstanz: Hessisches Landesarbeitsgericht, Beschluss vom 14. Oktober 2008 - 4 TaBV 68/08 -

Karen Fiege

 

Fachanwältin für Arbeitsrecht

Karlsruhe