Probleme in der Lieferkette und rechtliche Handlungsmöglichkeiten am aktuellen Beispiel des Coronavirus (SARS-CoV-2)

Teil 1: Probleme in der Lieferkette
            Wenn Warenabnehmer die Ware nicht mehr annehmen wollen…

a) Einleitung

Viele Unternehmen kennen das Problem von Störungen in der Lieferkette.

Lieferketten können einfach strukturiert sein und von einem Hersteller über ein Unternehmen bis zu einem Endkunden gehen. Sie können aber auch sehr komplex organisiert sein, mehrere unterschiedliche Zulieferer, deren Zulieferer, sowie mehrere Kunden und deren Kunden umfassen und dabei auch noch internationale Bezüge aufweisen.

An jeder Stelle der Lieferkette können Probleme auftreten und sich auf die restliche Lieferkette auswirken. Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn

  • Warenabnehmer die Ware nicht mehr annehmen wollen,
  • Lieferanten nicht mehr liefern können oder
  • Geschäftspartner insolvent werden.

An dem aktuellen Beispiel der COVID-19-Pandemie mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 wird deutlich, dass ein Vorfall dieses Ausmaßes zu vielen Problemen in den Lieferketten der (Welt-)Wirtschaft führen kann.

Im März 2020 haben auch deutsche Behörden zahlreiche Freizeit- und Kultureinrichtungen, Gastronomiebetriebe, Einzelhandelsgeschäfte etc. geschlossen und Maßnahmen angeordnet, um den Kontakt zwischen Menschen zu verringern und auf diese Weise den Anstieg der Infektionszahlen einzudämmen. Deswegen haben auch Unternehmen des produzierenden Gewerbes ihr Geschäft beschränkt oder eingestellt.

Die daraus resultierenden rechtlichen Folgen und Handlungsmöglichkeiten sind dabei für die betroffenen deutschen Unternehmen von großer Bedeutung und sollen in einer Reihe mehrerer Beiträge näher untersucht und dargestellt werden:

Was zu beachten ist, wenn ein Warenabnehmer keine Ware mehr annehmen will, ist Thema des ersten Beitrags. Alsdann geht es in den sich daran anschließenden Beiträgen darum, dass ein Lieferant keine Ware mehr liefern kann (Teil 2 bis 5) oder ein Geschäftspartner insolvent wird (Teil 6 bis 7). Im Zentrum steht dabei immer die Frage wie deutsche Unternehmen sowohl auf Seite des Schuldners als auch auf Seite des Gläubigers auf diese Probleme reagieren können.

Auch die Reaktionen des Gesetzgebers auf die COVID-19-Pandemie werden dabei an einigen Stellen eine Rolle spielen. Am 27. März 2020 hat der Deutsche Bundestag das Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht erlassen, welches insbesondere für Verbraucher, aber teilweise auch für Unternehmen von Bedeutung ist.

b) Wenn Warenabnehmer die Ware nicht mehr annehmen wollen…

Betrachtet man eine Lieferkette aus der Sicht eines Zwischenhändlers, kann es vorkommen, dass die Nachfrage der Kunden wegbricht und der Zwischenhändler auf seiner Ware sitzen bleibt. In diesem Fall hätte er als Gläubiger kein Interesse daran, die Ware überhaupt zu erhalten. Daher könnte er auf die Idee kommen, die Annahme der Leistung zu verweigern und sich damit in Gläubigerverzug nach § 293 BGB zu setzen.

In Bezug auf die COVID-19-Pandemie ist dies vor allem unter dem Gesichtspunkt gegeben, dass Ausgangsbeschränkungen für die Bevölkerung aufgrund der COVID-19-Pandemie erlassen worden sind und die Menschen viele Geschäfte nicht mehr aufsuchen bzw. viele Geschäfte gar nicht mehr öffnen dürfen.

Hier stellt sich die Frage: Hat ein Unternehmen als Lieferant in diesem Fall einen Anspruch auf die Abnahme der Leistung?

Die Annahme der Leistung ist eine Obliegenheit des Gläubigers und keine Pflicht. Der Annahmeverzug begründet daher keine Schadensersatzpflicht des Gläubigers. Er ist jedoch gem. § 304 BGB zum Ersatz der Mehraufwendungen verpflichtet. Darüber hinaus können sich die Wirkungen des Gläubigerverzuges auf die Gefahr des Untergangs oder der Verschlechterung der Sache gem. § 300 BGB zu Lasten des Gläubigers erstrecken. Ein Anspruch auf die Abnahme besteht dagegen nicht.

Doch nur weil der Gläubiger die Leistung nicht annimmt, führt das nicht dazu, dass er von seiner Gegenleistung befreit wird. Diese bleibt grundsätzlich bestehen. Allerdings könnte für diese Konstellation untersucht werden, ob eine Vertragsanpassung gem. § 313 BGB in Betracht kommt (dazu Näheres in Teil 4).

Tätigkeitsfelder von Jörg Schröder

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