Probleme in der Lieferkette Am aktuellen Beispiel des Coronavirus (SARS-CoV-2) (Teil 7)

Teil 7: Ein Geschäftspartner wird insolvent…
Gestaltungsmöglichkeiten im Insolvenzverfahren

 

Viele Unternehmen haben momentan mit den Folgen der COVID-19-Pandemie zu kämpfen. An diesem aktuellen Beispiel wird deutlich, dass ein Vorfall dieses Ausmaßes zu vielen Problemen in den Lieferketten der (Welt-)Wirtschaft führen kann. Die wirtschaftlichen Folgen durch die Einschränkungen der COVID-19-Pandemie können so schwerwiegend sein, dass Unternehmen insolvent werden.

 

Fraglich ist, wie man sich dann als Gläubigerin einem Insolvenzverfahren verhält, um seine Interessen und Ansprüche bestmöglich zu schützen.

 

In jedem Fall gilt es als Gläubiger aktiv an dem Insolvenzverfahren mitzuwirken, um seine Interessen möglichst erfolgreich durchzusetzen. Dies ist auf unterschiedliche Weise im Insolvenzverfahren möglich:

 

  • Im Rahmen eines vorläufigen Gläubigerausschusses gem. § 56a InsO können Gläubiger einen Insolvenzverwalter aussuchen oder Anforderungen an ihn festlegen.
  • Im Rahmen einer Gläubigerversammlung gem. § 74 InsO können Gläubiger Auskünfte vom Insolvenzverwalter einholen und eine Überprüfung von dessen Handlungen und Verwertungsmöglichkeiten der Vermögensgegenstände vornehmen.
  • Daneben haben Gläubiger ein Akteneinsichtsrecht gem. § 4 InsO i.V.m. § 299 ZPO
  • Ggf. können Gläubiger auch im Rahmen eines Gläubigerausschusses gem. §§ 67, 68 InsO Einfluss ausüben.

 

Die Vertragsverhältnisse zwischen Schuldner und Gläubiger bleiben auch während des Insolvenzverfahrens bestehen und können durch den Insolvenzverwalter erfüllt werden (§§ 103 bis 107 InsO). In diesen Fällen wirkt sich die Insolvenz auch nicht zwangsläufig negativ auf die bestehende Lieferkette aus.

 

Ist ein Insolvenzgläubiger zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens kraft Gesetzes oder aufgrund einer Vereinbarung zur Aufrechnung berechtigt, so wird dieses Recht durch das Verfahren gem. § 94 InsO nicht berührt.

 

Dauerschuldverhältnisse können durch den Insolvenzverwalter gekündigt werden. Ein vom Schuldner erteilter Auftrag, Geschäftsbesorgungsvertag oder eine Vollmacht erlischt durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens (§§ 115-117 InsO).

 

Der Insolvenzverwalter kann gem. § 129 InsO Rechtshandlungen, die vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden sind und die Insolvenzgläubiger benachteiligen, nach §§ 130 bis 146 anfechten.

 

In den Zeiten der COVID-19-Pandemie muss der Gläubiger in seinen Erwartungen und seinem Handeln jedoch berücksichtigen, dass es nicht das Ziel des Gesetzgebers ist die Interessen des Gläubigers zu verteidigen, sondern die Fortführung von Unternehmen auf Seite der Schuldner zu ermöglichen und zu erleichtern, um sich aus der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit zu befreien. Die aufgeführten Haftungsvorschriften und Gestaltungsmöglichkeiten im Insolvenzverfahren wurden deshalb teilweise durch das Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht vom 27. März 2020 eingeschränkt.

 

Dies zeigt sich durch Regelungen wie § 2 des Art. 1 des Gesetzes zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie, der die Gewährleistung von Organhandlungen von juristischen Personen zum Ziel hat. So gelten soweit die Pflicht zur Stellung des Insolvenzvertrags ausgesetzt ist gem. § 2 Abs. 1 Nr. 1 Zahlungen, die im ordnungsgemäßen Geschäftsgang erfolgen, als mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaft handelnden Organs einer juristischen Person vereinbar, um diese aus der Haftung zu nehmen. Auf diese Weise werden die eigentlich bestehenden Zahlungsverbote für Organe ausgesetzt, um die erforderlichen Maßnahmen ergreifen zu können, um das Unternehmen im ordentlichen Geschäftsgang fortzuführen.

 

Außerdem sind gem. § 2 Abs. 1 Nr. 4 des Art. 1 des Gesetzes zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie Rechtshandlungen, die dem anderen Teil eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht haben, die dieser in der Art und zu der Zeit beanspruchen konnte, in einem späteren Insolvenzverfahren nicht mehr anfechtbar. Neben diesen Rechtshandlungen gilt der Ausschluss des Anfechtungsrechts auch für Leistungen an Erfüllungs statt oder erfüllungshalber; Zahlungen durch einen Dritten auf Anweisung des Schuldners und weiteren aufgezählten Rechtshandlungen. Im Übrigen entfaltet diese Regelung gem. § 2 Abs. 2 auch Wirkungen für Unternehmen, die keiner Antragspflicht unterliegen, sowie für Schuldner, die weder zahlungsunfähig noch überschuldet sind. Die Vorschrift dient der Aufrechterhaltung von Geschäftsbeziehungen zum Schuldner, welche grundsätzlich bei Insolvenzreife gefährdet ist, da das Risiko besteht, dass Gläubiger und Vertragspartner des Schuldners erhaltene Leistungen und Zahlungen in einem späteren Insolvenzverfahren infolge eine Insolvenzanfechtung wieder herausgeben zu müssen. Daher ist der § 2 Abs. 1 Nr. 4 nicht nur für Unternehmen als Insolvenzgläubiger von Bedeutung, sondern auch insgesamt für ihre Rolle als Geschäftspartner eines gefährdeten Schuldners.

 

Die Schutzwirkung gilt jedoch nicht, wenn dem Geschäftspartner bekannt war, dass die Sanierungs- und Finanzbemühungen des Schuldners nicht zur Beseitigung einer eingetretenen Zahlungsunfähigkeit geeignet gewesen sind.

 

Der Gesetzgeber versucht durch das Gesetz insgesamt Anreize zu schaffen, den betroffenen Unternehmen neue Liquidität durch die Aufnahme von Finanzierungs- und Sanierungskredite zuzuführen. In Verbindung mit den anderen Maßnahmen, die auch darauf abzielen die Geschäftsbeziehungen zu den Schuldnern aufrecht zu erhalten, bewirkt der Gesetzgeber damit eine günstigere Lage für Gläubiger als in den üblichen Situationen, in denen der Schuldner insolvent wird. Er fördert die Wahrscheinlichkeit, dass der Schuldner sich aus einer vorübergehenden Zahlungsunfähigkeit befreien und das Unternehmen fortführen kann und damit auch die Wahrscheinlichkeit dafür Forderungen des Gläubigers wieder befriedigen zu können, ohne dass es zu einem Insolvenzverfahren kommen muss.

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