Pflicht zur Krisenfrüherkennung & -management durch das StaRUG - ein weiteres Sanierungsinstrument

Seit dem 01.01.2021 gibt es mit dem Unternehmensstabilisierungs- und Restrukturierungsgesetz (kurz: StaRUG) neue Möglichkeiten im Bereich der Unternehmenssanierung außerhalb des herkömmlichen Insolvenzverfahrens.

Das StaRUG gilt ausschließlich für den unternehmerischen Bereich einschließlich unternehmerisch tätiger Privatpersonen, d.h. insbesondere AG, GmbH, GmbH & Co. KG und OHG, aber auch den eingetragenen Kaufmann, nicht jedoch für rein verwaltende Innen-GbR.

Die Einführung des StaRUG soll dazu dienen, den Unternehmen Anreize zu setzen, im Fall finanzieller Schwierigkeiten frühzeitig reagieren zu können und so den Eintritt des Insolvenzfalls zu verhindern.

Das neue Gesetz begründet für den Geschäftsführern aber auch neue Pflichten, Insbesondere eine Pflicht zur Risikoüberwachung.

§ 1 Abs. 1 StaRUG verpflichtet Geschäftsführer, dauerhaft zu überwachen, ob der Fortbestand des Unternehmens gefährdet ist, d.h. auch, ob eine Insolvenz drohen kann, und in diesem Fall geeinigte Gegenmaßnahmen zu treffen. Ein konkretes Pflichtenprogramm hat der Gesetzgeber ebenso wenig vorgesehen wie Sanktionen. Eine solche Überwachung dürfte aber bereits zu den Pflichten eines ordentlichen Geschäftsmanns im Sinne des § 43 Abs. 1 GmbHG gehören und ist für Vorstände von Aktiengesellschaften bereits gesetzlich in § 91 Abs. 2 AktG festgelegt. Ein Verstoß hiergegen kann im Innenverhältnis zur Gesellschaft zur persönlichen Haftung führen. Dass Gläubiger allein hierauf gestützt ohne eine gleichzeitige Verletzung der Insolvenzantragspflicht nach § 15a InsO Schadensersatzansprüche haben können, ist dagegen unwahrscheinlich. Rechtsprechung hierzu gibt es bislang jedoch nicht.

Als Neuerung ist durch das StaRUG eine Sanierung außerhalb des eigentlichen Insolvenzverfahrens möglich und zwar ohne Verlust der eigenen Verfügungsbefugnis und auch ohne zwingende Überwachung durch einen Sachwalter wie in der Eigenverwaltung.

Gleichzeitig bietet das StaRUG die Möglichkeit, sich für die Zeit der Restrukturierung und Sanierung auf Antrag unter eine Art gerichtlichen „Schutzschirm“ zu begeben, der die Einzelzwangsvollstreckung von Gläubigern für die Dauer des Verfahrens unterbindet (sog. Stabilisierungsanordnung). Während der Dauer dieser Stabilisierungsanordnung ist die Insolvenzantragspflicht ausgesetzt.

Zu beachten ist hierbei, dass den Geschäftsleiter einer Gesellschaft bei vorsätzlichen oder fahrlässigen falschen Angaben zur Erwirkung einer Stabilisierungsanordnung eine persönliche Haftung gegenüber einem Gläubiger daraus entstehenden Schaden trifft. Das fehlende Verschulden muss der Geschäftsleiter beweisen.

 

Eine Sanierung und- Restrukturierung aufgrund des StaRUG kann und muss bereits vor Eintritt eines Insolvenzgrundes wie der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit oder der Überschuldung eingeleitet werden. Hierzu ist eine Anzeige beim Restrukturierungsgericht erforderlich, dessen Zuständigkeit im Einzelnen durch Rechtsverordnung bestimmt wird.

Sowohl dem Antrag auf Untersagung der Einzelzwangsvollstreckung als auch der Anzeige des Restrukturierungsverfahrens sind neben weiterer Angaben der Entwurf eines Restrukturierungsplans bzw. ein Konzept für die Restrukturierung beizufügen. Eine „Checkliste“ hierzu soll in der Zukunft auf der Homepage des Bundesministeriums für Justiz und Verbraucherschutz veröffentlicht werden.

Die Voraussetzungen an den Restrukturierungsplan sind im Einzelnen in Teil 2 Abschnitt 2 des StaRUG geregelt. Sie entsprechen im Wesentlichen den Voraussetzungen, die an einen Insolvenzplan gestellt werden. Der Plan muss immer einen darstellenden Teil mit der Beschreibung der Grundlage enthalten, auf der über den Plan entschieden werden soll und einen gestaltenden Teil, in dem die Änderung der Rechtsstellung von Restrukturierungsgläubigern festgelegt wird, die hierzu in Gruppen eingeteilt werden müssen. 

Als Restrukturierungsgläubiger können dabei die meisten Forderungsinhaber sowie die im Insolvenzfall Absonderungsberechtigten miteinbezogen werden. Letztere sind dabei vor allem Inhaber von zur Sicherheit abgetretener Forderungen und Sachen.

Eine wichtige Ausnahme von restrukturierungsfähigen Forderungen sind Forderungen im Zusammenhang mit Arbeitsverhältnissen. Auch ist ein zunächst vorgesehener Eingriff wären die Gläubigerrechte bei Dauerschuldverhältnissen nicht mehr vorgesehen. Das neue Sanierungsverfahren wird sich also nur dann eignen, wenn auf Seiten der Finanzgläubiger eine Restrukturierung  notwendig ist.

Aufgrund des Plans erfolgt dann eine Abstimmung über die Rechtsänderung mit den Gläubigern, bei dem keine Einstimmigkeit erforderlich ist, sondern ein qualifiziertes Mehrheitssystem je nach eingeteilten Gruppen besteht. Mit der Annahme des Plans gilt der gestaltende Teil dann für alle Beteiligten, auch für Gläubiger, die nicht zugestimmt haben. Der Restrukturierungsplan ist ein Vollstreckungstitel.

Sofern unter den Gläubigern nicht nur große Unternehmen sind oder eine Stabilisierungsanordnung beantragt wird, wird vom Restrukturierungsgericht ein Restrukturierungsbeauftragter bestellt, der unter anderem die Planabstimmung gestaltet und überprüft, ob die Voraussetzungen für das Restrukturierungsverfahren noch fortbestehen. Der Restrukturierungsbeauftragte hat aber im Gegensatz zum (vorläufigen) Insolvenzverwalter keinerlei Verwaltungs- und Verfügungsbefugnisse über das Schuldnervermögen.

 

Der Schuldner hat das gesamte Restrukturierungsverfahren mit der Sorgfalt eines „ordentlichen und gewissenhaften Sanierungsgeschäftsführer“ zu betreiben und die Interessen aller Gläubiger zu wahren. Ein Verstoß kann zur Aufhebung des Restrukturierungsverfahrens durch das Gericht und damit zur Einleitung eines Regelinsolvenzverfahren führen.

 

Von der Anzeige des Restrukturierungsverfahrens bis zu seiner Beendigung oder dem Unwirksamwerden der Anzeige ist die Insolvenzantragspflicht generell ausgesetzt. Jedoch sind die Geschäftsführer oder sonst Antragspflichtigen nach § 42 Abs. 1 Satz 2 StaRUG auch weiterhin verpflichtet, die Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung dem Restrukturierungsgericht ohne schuldhaftes Zögern mitzuteilen. Eine vorsätzliche oder fahrlässige Unterlassung der rechtzeitigen Anzeige ist strafbar und wird mit bis zu 3 Jahren Freiheitsstrafe oder Geldstrafe bei Vorsatz und bis zu 1 Jahr oder Geldstrafe bei fahrlässiger Unterlassung bestraft. Daher ist es auch bei Bestehen des StaRUG weiterhin zwingend erforderlich, die finanzielle Lage zu analysieren und gegebenenfalls eine Zahlungsfähigkeit oder Überschuldung anzuzeigen.

 

Abschließend ist festzuhalten, dass das StaRUG eine weitere Möglichkeit bietet, im Fall von finanziellen Schwierigkeiten frühzeitig zu reagieren und dabei bei Einbeziehung der Gläubiger die die Eigenverantwortung weitgehend zu behalten, um so Krisen zu überwinden. Mit der Anordnung eines Vollstreckungsschutzes können Gläubiger effektiv zu einer Zusammenarbeit bewegt werden. Je früher das Restrukturierungsverfahren eingeleitet wird, desto größer sind die Spielräume für eine Sanierung ohne Insolvenzverfahren. Ob sich das Verfahren allerdings auch für die eigentlich von der EU-Richtlinie angesprochenen kleineren und mittleren Unternehmen eignet, bleibt abzuwarten. Bisher sind die bürokratischen Hürden doch recht hoch und es besteht sicherlich auch ein erheblicher Verwaltungsaufwand, auch in finanzieller Hinsicht für sehr kleine Unternehmen.

 

Sollten Sie noch Fragen haben, können Sie jederzeit auf uns zukommen. Wir beraten Sie bei Bedarf individuell über die Möglichkeiten, die das StaRUG, ebenso wie dieisherigen insolvenzrechtlichen Plan- und Sanierungsinstrumente Ihrem Unternehmen zur Überwindung einer Krise bieten.

Karlsruhe, 23.02.21

 

Rebecca Schäfer (ref. jur.)

 

Christan Schlemmer

Rechtsanwalt

Fachanwalt für Insolvenzrecht

FachanwaltfürArbesitsrecht

Fachanwalt für Internationales Wirtschaftsrecht

 

 

Tätigkeitsfelder von Christian Schlemmer

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