Mindestlohn und immer noch Fragen offen

Eine Vielzahl von Fragestellungen beim Mindestlohn ist nach wie vor ungeklärt. Dies wird erst im Laufe der Zeit durch die Gesetzgebung eintreten. Mittlerweile ist aber der Referentenkommentar zum Mindestlohngesetz erschienen, der von Autoren aus dem zuständigen Referat des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales veröffentlicht wurde. Zumindest einige Fragen sind dort geklärt und die Arbeitgeber sind zumindest vor einem Schuldvorwurf bewahrt, bis die Rechtsprechung hier Klarheit geschaffen hat, wenn sie der dort geäußerten Ansicht folgen.

Unklar war, ob der Mindestlohn auch für Zeiten minderer Beanspruchung also für Arbeitsbereitschaft und Bereitschaftsdienst gilt. Für die Arbeitsbereitschaft, also die Zeit, in der der Arbeitnehmer also am Arbeitsplatz anwesend sein muss, um sofort und ohne besondere Anweisung Vollarbeit zu leisten, wird als Arbeit im Sinne des Mindestlohngesetzes angesehen. Der Bereitschaftsdienst, währenddessen sich der Arbeitnehmer, ohne dass er unmittelbar am Arbeitsplatz anwesend sein muss, sich an einem vom Arbeitgeber bestimmten Ort aufzuhalten hat, ist nicht als mindestlohnpflichtig anzusehen. Dies widerspricht zwar der Praxis der Zollbehörden und einer BAG-Entscheidung zum Mindestlohn in der Pflegebranche, es wird aber damit begründet, dass Arbeitsbereitschaft nicht die geleistete Arbeit, sondern der Verlust von Freizeit sei. Ebenso werden Rufbereitschaft, Reise- und Wegezeiten der Arbeitsleistung nicht gleichgestellt, wohl aber das Umkleiden im Betrieb.

Sachleistungen sollen nicht zum Mindestlohn zählen, auch nicht Kost und Logis. Ein Umweg über eine Aufrechnung ist nicht möglich, da in der Regel ein pfändungsfreier Betrag nicht überschritten sein dürfte.

Sehr umstritten sind auch die Sonderzahlungen als Mindestlohn. Anrechenbar seien im Zweifel 13. und 14. Gehälter, Ergebnis Umsatzbeteiligung, erfolgs- und nicht leistungsbezogene Provisionen, Anwesenheitsprämien, Gratifikationen ohne Abhängigkeit zur Betriebszugehörigkeit, zeit- und nicht kostenbezogene Wegegelder, einfache Zuschläge oder Zulagen, Sozialzulagen. Nicht anrechenbar seine Nachtarbeits-, Feiertags- und Sonntagszuschläge, Schichtzulagen, Erschwerniszulagen sowie Akkords- und Qualitätsprämien, Zahlung anlässlich eines Dienstjubiläums, Aufwandsentschädigung, Reise und Fortbildungskosten, vermögenswirksame Leistungen und Trinkgelder im Unterschied zu Bedienungsgeldern. Dort wird vorgeschlagen, dass man bei Bezahlung des Mindestlohnes festlegen könne, welche Leistungen anrechenbar sind und welche nicht.

Zur Fälligkeit des Mindestlohns ist ausgeführt, dass zu berücksichtigende Jahresleistungen monatlich zu zahlen sind. Soweit dies aber nicht geschieht, aber die Jahresleistung wie beispielsweise das 13. Gehalt auf den Mindestlohn Anrechnung finden muss, befindet sich der Arbeitgeber in Verzug mit dem Mindestlohn. Dies gilt natürlich auch bei Provisionen.

Bei Arbeitszeitkonten wird darauf verwiesen, dass eine Sollarbeitszeit eine entsprechende verspätete Zahlung des dann vollständigen Mindestentgelts voraussetzt. Nur für darüber hinaus gehende Plusstunden verlängert sich die Fälligkeit nach Maßgabe des § 2 Abs. 2 MiLoG. Bei Minusstunden ist davon auszugehen, dass, wenn das Arbeitszeitkonto im Minus ist, danach geleistete Stunden keine ausgleichspflichtige Mehrarbeit sind.

Zum räumlichen Anwendungsbereich ist anzumerken, dass der Mindestlohn im Ausland gilt, wenn auf das Arbeitsverhältnis deutsches Recht Anwendung findet, allerdings ohne Überwachung durch die Zollbehörden bei bloß kurzzeitigen Inlandstätigkeiten wie der Durchquerung des Inlandes ist keine Mindestlohnpflicht gegeben. Dies gilt jedoch nicht bei Fahrten zwischen zwei oder mehreren Zielen im Aufnahmestaat und für den grenzüberschreitenden Straßenverkehr mit Be- oder Entladung in Deutschland.

Zum persönlichen Anwendungsbereich wird klargestellt, dass Heimwerker und Hausgewerbetreibende, Eineurojobber in Werkstätten für Behinderte tätige, Strafgefangene und Rechtsreferendare nicht vom Gesetz erfasst werden. Eine Ausübung von Ehrenämtern diene nicht der Sicherung oder Besserung der wirtschaftlichen Existenz, so dass bei der Abgrenzung des Ehrenamtes großzügig umgegangen werden könne.

Es bleiben also hier viele Punkte bis zur Klärung durch das Bundesarbeitsgericht noch offen. Wir werden Sie hierüber weiter informieren.

 

Christian Schlemmer

Fachanwalt für Insolvenzrecht

Fachanwalt für Arbeitsrecht

 

Karlsruhe

 

Tätigkeitsfelder von Christian Schlemmer

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