Keine Haftung eines Berufskraftfahrers für Unfallschäden über den Selbstbehalt bei der KfZ-Haftpflichtversicherung

Das Bundesarbeitsgericht hat in seinem Urteil vom 13.12.2012, 8 AZR 432/11, das Verhältnis der Arbeitnehmerhaftung und der Regelung des Versicherungsvertragsgesetzes und des Pflichtversicherungsgesetzes klargestellt.

Entscheidend ist die Vorschrift des § 114 Abs. 2 S. 2 VVG, nach der ausdrücklich ein Selbstbehalt des Versicherungsnehmers weder einem Dritten entgegenhalten werden kann noch gegenüber einer mitversicherten Person geltend gemacht werden kann. Die Regeln der gesetzlichen Pflichtversicherung überlagern die Grundsätze der beschränkten Arbeitnehmerhaftung (vgl. auch BAG 8 AZR 418/09).

Im vorliegenden Fall hatte der Arbeitgeber einen Selbstbehalt von 5.000,00 € pro Schadensfall vereinbart und den Arbeitnehmer hierüber aufgeklärt und im Arbeitsvertrag festgelegt, dass nach Verschuldensgrad und Schadenshöhe der Arbeitnehmer damit rechnen muss, für jeden von ihm verursachten Schaden bis hin zur Höhe des Selbstbehaltes Schadenersatz leisten zu müssen.

Diese Klausel hielt das Bundesarbeitsgericht für nicht wirksam, denn anders als bei der Kaskoversicherung sind Selbstbehaltsvereinbarungen bei einer gesetzlichen Pflichtversicherung vor der ausdrücklichen Gestattung durch den Gesetzgeber nicht nur ungewöhnlich, sondern in der rechtlichen Zulässigkeit umstritten. Jedenfalls ist die Bestimmung aber weder klar noch verständlich, die von dem Arbeitgeber verwendete Formulierung verweise nicht auf die Rechtslage, die vor allem auf die Umstände des Einzelfalles abstellt, sondern will den Arbeitnehmer damit rechnen lassen, dass er für jeden von ihm verursachten Schaden Schadenersatz leisten müsse. Dies sei eine unangemessene Benachteiligung im Sinne der § 307 Abs. 1 S. 2 BGB.

Nach den Grundsätzen der Arbeitnehmerhaftung hafteten Arbeitnehmer nur für vorsätzlich verursachte Schäden im vollen Umfang, bei leichtester Fahrlässigkeit dagegen überhaupt nicht (vgl. auch BAG 8 AZR 418/09). Die Beteiligung des Arbeitnehmers an den Schadensfolgen ist durch eine Abwägung der Gesamtumstände zu bestimmen, wobei insbesondere Schadensanlass, Schadensfolgen, Billigkeits- und Zumutbarkeitsgesichtspunkte eine Rolle spielen, ebenso eine möglicherweise vorliegende Gefahrengeneigtheit der Arbeit, die Schadenshöhe, ein von Arbeitgeber einkalkuliertes Risiko, eine Risikodeckung durch eine Versicherung, die Stellung des Arbeitnehmers im Betrieb, die Höhe der Vergütung sowie die persönlichen Verhältnisse und die Umstände des Arbeitsverhältnisses, wie die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter und die Familienverhältnisse sowie sein bisheriges Verhalten.

Außerdem würde eine solche Klausel den Arbeitnehmer unangemessen benachteiligen, da diese Klausel mit den wesentlichen Grundgedanken des Gesetzes (§ 114 Abs. 2 S. 2 VVG) nicht vereinbart werden könnte. Der Arbeitgeber hat danach grundsätzlich dafür einzustehen, dass ein KfZ, das der Arbeitnehmer dienstlich nutzt, mit einer ausreichenden KfZ-Haftpflicht versichert ist. Er ist kraft Fürsorge auch gehalten dafür zu sorgen, dass der Arbeitnehmer aus einem Verkehrsunfall möglichst nicht in persönlichen Anspruch genommen wird.

Bei einem durch einen Arbeitnehmer verursachten Unfall bleibt also ein Rückgriff nur für Leistungen möglich, die innerhalb des Kaskoschadens liegen, also für Schäden, die an eigenen Fahrzeugen entstehen.

 

Christian Schlemmer

Fachanwalt für Insolvenzrecht

Fachanwalt für Arbeitsrecht

 

Karlsruhe

 

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