Fristlose Kündigung wegen Nutzung arbeitgeberseitiger Einrichtungen

Das Bundesarbeitsgericht hat in seinem Urteil vom 16.07.2015 2 AZR 85/15 die außerordentliche Kündigung eines Mitarbeiters für rechtmäßig erklärt, der mit Hilfe privat beschaffter Bild- und Tonträger während der Arbeitszeit unter Verwendung des dienstlichen Computers und zu eigenem Gebrauch diese auf dienstliche DVDs und CDs gebrannt hatte und zwar unabhängig davon, ob ein Verstoß gegen das Urheberrechtsgesetz vorlag.

In diesem sicherlich vom Umfang her sehr krassen Fall stellte sich heraus, dass über 1.000 DVDs bearbeitet worden waren und auf dem Rechner mehr als 6.000 E-Books, Bild-, Audio- und Videodateien vorgefunden wurden. Der dortige Kläger hatte zwar zunächst erklärt, dass er alles selber gemacht habe und auch für andere Mitarbeiter kopiert habe, später hatte er diese Aussage aber zurückgenommen.

Zunächst scheint klar, dass der Mitarbeiter hier nicht nur einen Arbeitszeitbetrug begangen hat, sondern vielleicht auch gegen das Urheberrecht verstoßen hat und sich die dienstlichen Mittel, zumindest die Rohlinge, zugeeignet hat. Insbesondere das Ausmaß und auch der zeitliche Aufwand, der hier betrieben wurde (so wurden auch Cover mit dem Farbkopierer des Arbeitgebers hergestellt) scheint die Sache zunächst klar zu gestalten.

Allerdings hatten die Vorinstanzen der Kündigungsschutzklage des Klägers stattgegeben. Die Kündigung sei schon deshalb unwirksam, weil unklar sei, welchen Tatbeitrag der Kläger zu den in Rede stehenden Kopier- und Brennvorgängen geleistet habe. Außerdem habe der Arbeitgeber lediglich durch eigene Ermittlungen – ohne Einschaltung der Strafverfolgungsbehörden – weder eine umfassende, den Kläger möglicherweise auch entlastende Aufklärung geleistet, noch habe diese Maßnahme den Beginn der zweiwöchigen Frist für die Erklärung einer außerordentlichen Kündigung hemmen können. Auch gegenüber anderen mutmaßlich Beteiligten seien keine vergleichbaren Maßnahmen ergriffen worden.

Das Bundesarbeitsgericht hat dies glücklicherweise korrigiert, denn eine fristlose Kündigung kommt auch dann in Betracht, wenn der Kläger nicht alle fraglichen Handlungen selbst vorgenommen hat, sondern dabei mit anderen zusammengewirkt hat oder das Herstellen von Raubkopien durch diese bewusst ermöglicht hat. Aus dem Umstand, dass es ihm erlaubt gewesen sein mag, den dienstlichen Rechner in gewissem Umfang privat zu nutzen, konnte er nicht schließen, dass die behaupteten Kopier- und Brennvorgänge gestattet seien.

Außerdem war die fristlose Kündigung auch nicht deshalb unwirksam, weil der Arbeitgeber die Ermittlungen zunächst selbst angestellt und nicht sofort die Strafverfolgungsbehörden eingeschaltet hatte. Ein solches Vorgehen ist dem Arbeitgeber grundsätzlich freigegeben, solange er die Ermittlungen zügig durchführt, wird dadurch auch der Beginn der Frist des § 626 Abs. 2 BGB gehemmt. Ebenso wenig muss auch gegenüber anderen Bediensteten vorgegangen werden. Der Gleichbehandlungsgrundsatz findet auf außerordentliche Kündigungen grundsätzlich keine Anwendungen.

Diese Entscheidung ist grundsätzlich zu begrüßen und zeigt, wie schwierig das Verhältnis zwischen der Gestattung von privaten Tätigkeiten am dienstlichen PC und der Gestattung der Nutzung dienstlicher Einrichtungen für private Zwecke ist. Eine Vielzahl von Arbeitgebern gestatten, Farbkopien anzufertigen oder auch einmal eine CD zu brennen und vielleicht sogar auch auf andere Ressourcen des Arbeitgebers unentgeltlich zurückzugreifen. Sie werden es vielleicht auch dulden, dass dies in gewissem Umfang innerhalb der Arbeitszeit geschieht. Unabhängig von den krassen Fällen, wie dem hier entschiedenen, mit einer Vielzahl von Vergehen über einen langen Zeitraum, wird es aber auch bei einem vollkommenen Verbot solcher privater Handlungen meist nur bei wenigen entdeckten Fällen bleiben oder die Fälle haben ein Ausmaß, dass in zeitlicher und finanzieller Hinsicht (eine Farbkopie, ein CD-Rohling und vielleicht 15 Minuten Aufwand) nicht den Umfang hat, der eine fristlose Kündigung rechtfertigt. Auch hier empfiehlt es sich, klare Regelungen für die Mitarbeiter aufzustellen und ihnen gegebenenfalls solche Ressourcen ausdrücklich in einem gewissen Umfang zur Verfügung zu stellen und darauf hinzuweisen, dass diese Aktivitäten dann außerhalb der Arbeitszeiten stattzufinden haben.

Die Entscheidung zeigt auch, dass der Arbeitgeber, wenn er den Verdacht einer solchen Tat hat, unverzüglich reagieren muss und eventuell bei den Untergerichten Schwierigkeiten bekommt, wenn er bei Straftaten, gerade wenn sie ein erhebliches Ausmaß annehmen, nicht unverzüglich auch die Strafverfolgungsbehörden einschaltet, auch wenn er dies wohl oft nicht will, weil er die öffentliche Kenntnis dieser Taten scheut. Haben mehrere Mitarbeiter solche Taten gemeinsam begangen, so empfiehlt sich zumindest auch eine gewisse Gleichbehandlung, wobei natürlich nach Tatbeiträgen unterschiedlich reagiert werden kann und muss.

Unabhängig davon muss der Arbeitgeber sich natürlich immer die Frage stellen, inwieweit er dienstliche Ressourcen auch privat von den Mitarbeitern nutzen lassen will und ob nicht ein generelles Verbot, wie beispielsweise auch bei Telefon-, E-Mail- oder Internetnutzung, sowie der Nutzung von Smartphones und sonstigen mobilen Endgeräten, zu klareren Ergebnissen führt. Gestattet man eine gewisse Nutzung, so ist man immer in der Diskussion, welches Ausmaß von Nutzung erlaubt ist und welches nicht.

 

Christian Schlemmer

Fachanwalt für Insolvenzrecht

Fachanwalt für Arbeitsrecht

 

Karlsruhe

 

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