Frage nach der Schwerbehinderung im bestehenden Arbeitsverhältnis

Das Bundesarbeitsgericht hat in seinem Urteil vom 16.02.2012 (6 AZR 553/10) festgestellt, dass im bestehenden Arbeitsverhältnis jedenfalls nach sechs Monaten, also nach dem Erwerb des Sonderkündigungsschutzes für behinderte Menschen, die Frage eines Arbeitgebers nach einer Schwerbehinderung zulässig ist.

Im vorliegenden Fall hatte ein Arbeitnehmer wahrheitswidrig einen Fragebogen ausgefüllt und seine Schwerbehinderung von über 50 % nicht angegeben. Daraufhin hatte der Arbeitgeber ohne Zustimmung des Integrationsamtes die Kündigung ausgesprochen. Im Kündigungsschutzverfahren hatte sich der Arbeitnehmer dann auf den Sonderkündigungsschutz berufen.

Infolge der wahrheitswidrigen Beantwortung der ihm gestellten Frage nach der Schwerbehinderung sei es dem Kläger nun verwehrt, sich im Kündigungsschutzprozess auf seine Schwerbehinderteneigenschaft und den Sonderkündigungsschutz berufen, da er sich widersprüchlich verhalten habe. Das Bundesarbeitsgericht sieht die Frage nach der Schwerbehinderung im Vorfeld einer beabsichtigten Kündigung im Zusammenhang mit der Pflichtenbindung gem. der Vorschriften des § 1 Abs. 3 KSchG und des § 85 SGB IX, die die Berücksichtigung der Schwerbehinderung bei der Sozialauswahl und die vorherige Zustimmung des Integrationsamtes verlangen, als zulässig an. Einer solchen Frage stehen auch datenschutzrechtliche Belange oder einer Diskriminierung behinderter Arbeitnehmer nicht entgegen.

Das Bundesarbeitsgericht hat damit wesentlich für Rechtsklarheit gesorgt. Hat ein Arbeitgeber also Anhaltspunkte für eine Schwerbehinderung oder will er generell Klarheit in dieser Frage, so kann er vor Ausspruch einer beabsichtigten Kündigung zulässig danach fragen und die entsprechenden Folgerungen aus der Antwort treffen. Verschweigt ein Arbeitnehmer diese Schwerbehinderung, so kann er sich später im Prozess nicht mehr auf Sonderrechte berufen, die aus der Schwerbehinderung herrühren.

Christian Schlemmer

Fachanwalt für Arbeitsrecht
Karlsruhe