EuGH / LArbG: Doch keine unbefristete Urlaubsabgeltung im Krankheitsfall?

Die Frage der (unbefristeten) Urlaubsabgeltungsmöglichkeit bleibt ein Dauerbrenner.

Nach einer die eigene jüngere Rechtsprechung in dieser Frage wieder relativierenden Entscheidung des Europäische Gerichtshofs (EuGH) hat das Landesarbeitsgericht (LAG) Baden-Württemberg als erstes Obergericht in einem sehr sorgfältig begründeten aber noch nicht rechtskräftigen Urteil vom 21.12.2011 eine allgemeine Verfallfrist von 15 Monaten postuliert.

Zur Vorgeschichte:

Am 20.01.2009 hatte der EuGH eine seinerzeit sensationelle Entscheidung („Schultz-Hoff“) verkündet, wonach der Urlaubsanspruch grundsätzlich nicht verfalle, wenn der Urlaub im Urlaubsjahr nicht erteilt wurde (bzw. nicht erteilt werden konnte, zB wegen Erkrankung des Mitarbeiters). Vielmehr sei der Urlaub vom Arbeitgeber zu späterer Zeit nachzugewähren, außerdem habe der Arbeitnehmer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses Anspruch auf Abgeltung des noch offenen Urlaubs, und zwar auch dann, wenn er während des gesamten Urlaubsjahres und darüber hinaus krankgeschrieben war.

Dem hatte sich das Bundesarbeitsgericht (BAG) zwangsläufig angeschlossen, was zur Folge hatte, dass bei mehrjähriger Krankheit die betroffenen Arbeitnehmer den nicht genommenen Urlaub aus allen Jahren angesammelt und später (nach Aussscheiden als Abgeltung) beansprucht hatten.

Aktuelle Entwicklung:

Der EuGH, der möglicherweise seinerzeit die Auswirkungen seiner Rechtsprechung nicht voll überblickt hatte, entschied in einer Folgeentscheidung am 22.11.2011 („Schulte“), dass eine tarifvertragliche Begrenzungsregelung, wonach Ansprüche auf bezahlten Jahresurlaub bei Langzeiterkrankung nicht zeitlich unbegrenzt angesammelt werden könnten, sondern 15 Monate nach Ablauf des Bezugszeitraumes erlöschen, mit dem EU-Recht vereinbar sei, da ein (sich aus der Entscheidung vom 20.01.2009 ergebendes) Recht auf unbegrenztes Ansammeln von Jahrsurlaubsansprüchen nicht mehr dem eigentlichen Urlaubszweck entsprechen würde.

Das LAG Baden-Württemberg hat jetzt in direkter Anknüpfung an dieses Urteil entschieden, dass Urlaubsansprüche bei durchgehender Arbeitsunfähigkeit grundsätzlich – und ohne Bezugnahme auf einen Tarifvertrag - spätestens 15 Monate nach Ende des Urlaubsjahres untergehen und bei einer späteren Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht abzugelten sind.

Im zu entscheidenden Fall war der Kläger von 2006 bis zum Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis am 30.11.2010 arbeitsunfähig erkrankt gewesen. Er begehrte die Abgeltung von Urlaubsansprüchen der Jahre 2007 bis 2009.

Das LArbG sprach lediglich Kläger Abgeltungsansprüche für das Jahr 2009 zu; Urlaubsansprüche aus den Jahren 2007 und 2008 seien dagegen zum Zeitpunkt des Ausscheidens bereits verfallen gewesen.

Nach der Entscheidung des EuGH vom 22.11.2011 ist eine Ansammlung von Urlaubsansprüchen über mehrere Jahre nicht geboten und eine nationale Regelung mit einer Begrenzung des Übertragungszeitraums von 15 Monaten unionsrechtlich nicht zu beanstanden. Eine Abweichung von der durch den nationalen Gesetzgeber geschaffenen Befristungsregelung in § 7 Abs. 3 BUrlG im Wege der unionsrechtlichen Rechtsfortbildung durch die nationale Rechtsprechung ist nur legitimiert, soweit dies das Unionsrecht gebietet, was vorliegend ja gerade nicht der Fall sei. Urlaubsansprüche gehen daher bei durchgehender Arbeitsunfähigkeit spätestens 15 Monate nach Ende des Urlaubsjahres unter und sind bei einer späteren Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht abzugelten.

(LAG BW v. 21.12.2011, 20 Sa 19/11, nicht rkr.)

Konsequenz:

Es bleibt zwar abzuwarten, ob das BAG dem folgt.

Arbeitgeber und Arbeitnehmer sollten aber bei Auseinandersetzungen über den Bestand von Urlaubs(abgeltungs)ansprüchen berücksichtigen, dass angesichts der jüngsten Entscheidungen von EUGH und LAG möglicherweise (und sinnvollerweise!) nur der in den letzten beiden Kalenderjahren nicht genommene Urlaub gewährt bzw. abgegolten werden kann.

Martin Eigenberger

 

Rechtsanwalt<br/>

Karlsruhe