Erschließungsbeitragspflicht für Hinterliegergrundstücke

Hinterliegergrundstücke sind solche, die nicht direkt an eine Straße angrenzen, sondern hinter einem an der Straße angrenzenden Grundstück, das von der Straße erschlossen ist, anliegen. Die Heranziehung solcher Hinterliegergrundstücke zum Erschließungsbeitrag ist ein in Praxis und Rechtsprechung umstrittenes Thema.

Das OVG Lüneburg hat mit Urteil vom 11.06.2010 (AZ: 9 LB 182/08) nun klargestellt, dass das Miteigentum an einem Vorderliegergrundstück ausreichen kann, um auch die Beitragspflicht des Hinterliegergrundstücks auszulösen.

In dem vom OVG Lüneburg entschiedenen Fall wendete sich der Eigentümer eines Hinterliegergrundstücks gegen die Heranziehung zu einem Straßenausbaubeitrag. Denn zwischen seinem Grundstück und der ausgebauten Straße lag lediglich ein schmales, als „Wegeflurstück“ bezeichnetes Grundstück, das zu einem Viertel im Miteigentum des Eigentümers des Hinterliegergrundstücks stand. Darüber hinaus war das Hinterliegergrundstück – zusammen mit weiteren, zur Straße hin gelegenen Grundstücken – mit einer Vereinigungsbaulast zur Anlegung erforderlicher Stellplätze belastet, wobei sich die Stellplätze auf dem „Wegeflurstück“ befanden.

Das OVG Lüneburg hat hier die Beitragspflicht hinsichtlich des Hinterliegergrundstücks bejaht, da eine rechtlich gesicherte Möglichkeit der Inanspruchnahme der ausgebauten Straße – und damit ein beitragsrelevanter Vorteil – bestehe. Die rechtliche Sicherung dieser Inanspruchnahmemöglichkeit hat das Gericht zunächst im Miteigentum am „Wegeflurstück“ gesehen. Dabei, so das OVG Lüneburg, sei nicht erforderlich, dass eine Auflösung der Miteigentümergemeinschaft ausgeschlossen ist, da die rechtliche Sicherung nicht dauerhaft vorliegen müsse. Vielmehr reiche es aus, wenn diese (bei punktueller Betrachtung) im maßgeblichen Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflicht vorliege und auf Dauerhaftigkeit angelegt ist. Hinzu komme, dass das Miteigentumsrecht auch die Nutzung des gemeinschaftlichen Eigentums als Zufahrtsweg beinhalte, was durch die Bezeichnung „Wegeflurstück“ und die tatsächlichen Gegebenheiten belegt sei. Darüber hinaus sieht das OVG Lüneburg die rechtliche Sicherung der Möglichkeit der Inanspruchnahme auch in der Vereinigungsbaulast, die zur Herbeiführung der notwendigen Stellplätze auf den angrenzenden Grundstücken besteht. Denn diese beinhalte zugleich das Recht, das betreffende Grundstück in der für die Nutzung der angelegten Stellplätze erforderlichen Weise in Anspruch zu nehmen, sprich: Auch die Vereinigungsbaulast führe zur Möglichkeit der Inanspruchnahme der ausgebauten Straße und damit zu einem beitragsrelevanten Vorteil.

Als Kernaussage der Entscheidung lässt sich festhalten, dass die Frage der Erschließungsbeitragspflicht bei Hinterliegergrundstücken anhand der jeweiligen Einzelfallumstände beurteilt werden muss. Eine pauschale Bejahung oder Verneinung dieser Pflicht für Hinterliegergrundstücke ist rechtlich nicht haltbar.

 

Dr. Rico Faller
 

Rechtsanwalt

Fachanwalt für Verwaltungsrecht