VG Karlsruhe hebt Ausübungsbescheid auf

Im Rahmen einer von uns geführten Anfechtungsklage, hat das Verwaltungsrecht Karlsruhe mit Urteil vom 26.09.2022 – 1 K 2548/21 den Ausübungsbescheid und den Widerspruchsbescheid aufgehoben.

Sachverhalt

Ein Wohnungsbauunternehmen hatte ein unbebautes Grundstück erworben. Dieses sollte mit Wohnbebauung auf Grundlage des seit vielen Jahren bestandskräftigen Bebauungsplans bebaut werden. Die beklagte Stadt übte daraufhin das Vorkaufsrecht für unbebaute Flächen im Innenbereich aus (§ 24 Abs. 1 S. 1 Nr. 6 BauGB). Nach Angaben der Stadt erfolgte dies, um selbst auf dem Grundstück eine Wohnbebauung mit einem Anteil an Sozialwohnungen für Berechtigte eines Wohnungsberechtigungsscheins zu realisieren.

Die Entscheidung

  • Das Verwaltungsgericht Karlsruhe verwehrt die Ausübung des Vorkaufsrechts aus mehreren Gründen: Das Ziel der beklagten Stadt fand sich in dem bestandskräftigen Bebauungsplan nicht wieder. Planfremde Ziele, wie das Ziel eine Quote für den sozialen Wohnungsbau zu schaffen, rechtfertigen in einem solchen Fall die Ausübung nicht. Der eine Abwendungserklärung abgegebene Käufer müsse sich nicht zur Realisierung von bebauungsplanfremden Zielen verpflichten (§ 27 Abs. 1 BauGB). Daher müssen die zur Rechtfertigung des Vorkaufsrechts angeführten städtebaulichen Zielen einen Zusammenhang mit dem Bebauungsplan aufweisen.
  • Die Ausübung des Vorkaufsrechts ist eine Entscheidung des Gemeinderats. Dieser muss sein Ermessen fehlerfrei ausüben. Erfolgt dies nicht, macht dies die Ausübung des Vorkaufsrechts rechtswidrig und damit die Vorkaufsrechtsausübung anfechtbar. Im vorliegenden Fall enthielt zwar der Ausübungsbescheid Ermessenerwägungen, die Gemeinderäte übten jedoch im Rahmen der öffentlichen Sitzung des Gemeinderats ihr Ermessen nicht aus.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Relevanz der Entscheidung

Diese Entscheidung ist sowohl für Städte und Kommunen als auch für Investoren hochbrisant. Denn das städtebauliche Vorkaufsrecht erlebt in Zeiten grassierender Wohnungsnot eine Renaissance als Instrumente der Verwaltung, mit dem der Zugriff auf ein verkauftes Grundstück gesichert werden kann. Der Käufer hingegen wird aus dem Kaufvertrag verdrängt.

Beabsichtigt eine Stadt oder Kommune die Ausübung eines städtebaulichen Vorkaufsrechts sollte mit größter Sorgfalt die Ausübung durch den Gemeinderat vorbereitet werden. Neben der Fristengebundenheit und zwingend öffentlich zu beschließenden Ausübung des Vorkaufsrechts sind Verfahrensfehler im Verwaltungsverfahren im anschließenden Widerspruchsverfahren nur noch eingeschränkt heilbar. Weiterhin ist zu überprüfen, ob das Vorkaufsrecht der Verwirklichung von in Aufstellung befindlichen oder bestandskräftigen Zielen einer städtebaulichen Planung oder Maßnahme dient.

Aus Sicht des kaufenden Investors eines Grundstücks sollte – wenn eine solche gesetzlich vorgesehen ist – eine Abwendungserklärung abgegeben werden, in der sich der Käufer zur Erfüllung der geltenden oder in Aufstellung befindlichen städtebaulichen Ziele verpflichtet. Gibt ein Käufer eine taugliche Abwendungserklärung ab, so entzieht er hierdurch der Ausübung des Vorkaufsrechts auf diese Weise die Grundlage. Dies eröffnet für den kaufenden Investor Verhandlungsspielräume.

 

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