Entwurf zur Änderung des Insolvenzanfechtungsrechts

Das geltende Insolvenzanfechtungsrecht, insbesondere die Vorsatzanfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO, wird allgemein von Wirtschaft und Wissenschaft als zu weitgehend angesehen. Die Rechtsprechung sei zu stark ausdifferenziert, weswegen das Bundesjustizministerium nun einen Referentenentwurf zur Änderung des Insolvenzanfechtungsrechts vorgelegt hat. Durch den Entwurf sollte eigentlich mehr Rechtssicherheit geschaffen werden, was aber nicht vollständig gelingt. Durch die Aufnahme weiterer unbestimmter Rechtsbegriffe wird sich die Rechtsunsicherheit (zunächst bis zur Klärung dieser Begriffe durch den BGH) eher erhöhen. Darüber hinaus gibt es erhebliche Wertungswidersprüche

Privilegierung von üblichen Zahlungsvereinbarungen

Der Entwurf versucht Zahlungsvereinbarungen aus dem Anwendungsbereich herauszunehmen, soweit diese nach § 802b ZPO getroffen werden oder den Gepflogenheiten des Geschäftsverkehrs entsprechen. Soweit die Kenntnis des Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes ausgeschlossen werden soll, so ist dies für eine Zahlungsvereinbarung fraglich, denn regelmäßig wird eine solche Bitte mit dem Hinweis auf die fehlende Liquidität begründet. Auch die Nichteinhaltung von Zahlungsvereinbarungen deutet in der Regel darauf hin, dass eben eine Kenntnis von der Gläubigerbenachteiligung gerade vorliegt. Allein das Eingeständnis auf Schuldnerseite nicht bezahlen zu können, führt ja in der Regel erst dazu, dass der Gläubiger Zahlungserleichterungen akzeptiert. Genau dann liegt aber die Kenntnis des Gläubigers eigentlich auf der Hand.

Privilegierung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen

Der Entwurf versucht außerdem Gläubiger, die im Zusammenhang mit Zwangsvollstreckungsmaßnahmen aus gerichtlichen Titeln eine Befriedigung erhalten, vor Anfechtungen zu schützen. Dies soll in § 131 InsO verankert werden, indem die Inkongruenz ausgeschlossen wird. Allerdings ist die Formulierung mit den Worten „nicht allein“ nicht abschließend, sodass es nach wie vor Fälle geben wird und soll, bei denen eine Zwangsvollstreckung aus gerichtlichen Titeln eben doch als inkongruente Deckung anfechtbar ist. Im Übrigen wäre dann oft immer noch eine Anfechtung nach § 130 InsO gegeben, da die Nichtbezahlung eines Titels regelmäßig eine Zahlungsunfähigkeit indiziert.

Einschränkung der Vorsatzanfechtung

Auch die Vorsatzanfechtung soll eigeschränkt werden, so wird in § 133 InsO wird das Wort „unangemessen“ zur Gläubigerbenachteiligung hinzugefügt, was kongruente Deckungen eigentlich ausschließen soll und ein unlauteres Handeln bezeichnen soll. Es bleibt dabei aber offen, nach welchen Wertungskriterien sich die Unangemessenheit bestimmen soll. Ausgeschlossen von der Anfechtung nach § 133 InsO soll auch das bargeschäftsähnliche Geschäft bzw. eine Rechtshandlung im Rahmen eines ernsthaften Sanierungsversuches sein. Hierzu gibt es allerdings bereits Rechtsprechung und die Klarstellungen sind nicht trennscharf. Für einen Sanierungsversuch muss wohl ein schlüssiges Sanierungskonzept vorliegen, da später aber dieses Sanierungskonzept regelmäßig gescheitert sein dürfte, ist die Frage, ob dieses Konzept den Anforderungen in der Praxis tatsächlich genügt hat. Außerdem muss hier regelmäßig ein Sachverständigengutachten eingeholt werden, da das Gericht die oft betriebswirtschaftlichen Berechnungen wohl nicht aus eigener Sachkunde prüfen kann. Dies führt natürlich zu erheblichen finanziellen Risiken und einem Drohpotenzial für Vergleichsschlüsse. Allerdings soll nun der Insolvenzverwalter beweisen müssen, dass kein ernsthafter Sanierungsversuch vorliegt, was das Kostenrisiko für das Gutachten auf Seiten der Insolvenzmasse verschiebt.

Begrüßenswert ist die zeitliche Beschränkung der Vorsatzanfechtung auf 4 Jahre statt bisher auf 10 Jahre.

Außerdem soll in § 133 Abs. 3 InsO geregelt werden, dass bei kongruenten Deckungshandlungen die lediglich drohende Zahlungsunfähigkeit nicht mehr zur Annahme eines Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes führen soll. Dies ist nicht ganz stimmig, denn eine unangemessene Benachteiligung ergibt sich immer aus der Überlegung, dass im Stadium materieller Insolvenz keinem Gläubiger mehr ein Sondervorteil gegenüber dem anderen zukommen soll.

Bargeschäfte

Begrüßenswert ist, dass das Bargeschäftsprivileg konkretisiert werden soll und sich der Entwurf der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Behandlung von verspätet ausgezahltem Arbeitsentgelt anschließt und hier insbesondere einen Zeitraum von bis zu drei Monaten zulässt.

Zinsen für Anfechtungsansprüche

Auch die Änderung, dass Prozesszinsen nicht bereits mit Insolvenzeröffnung, sondern erst dann mit Klageerhebung geschuldet sind, ist zu begrüßen, die Sonderregelung war sowieso nicht nachvollziehbar.

Es ist zu hoffen, dass die fachliche Diskussion des Entwurfs noch zu erheblichen Verbesserungen führen wird, in der derzeitigen Form führt der Referentenentwurf eher zu Unklarheiten und mehr Verwirrung, als zu der erhofften Klärung und der Einschränkung der Insolvenzanfechtung, die eigentlich beabsichtigt war.

 

Christian Schlemmer

Fachanwalt für Insolvenzrecht

Fachanwalt für Arbeitsrecht

 

Karlsruhe

 

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