Drohung mit Insolvenzantrag führt zu Anfechtbarkeit erhaltener Zahlungen

Schon in mehreren Entscheidungen hatte der Bundesgerichtshof entschieden, dass eine Zahlung eines Schuldners dann als inkongruent angesehen wird, wenn ein Insolvenzantrag zur Durchsetzung der Ansprüche eines einzelnen Gläubigers missbraucht wird (BGH IX ZR 199/02, BGH IX ZR 7/07, BGH IX ZR 117/11). Entsprechendes galt auch, wenn ein Insolvenzantrag nicht gestellt wurde, sondern nur angedroht wurde (BGH IX ZR 163/98). Eine als inkongruent begründete Bedrohungssituation sei nach BGH dann anzunehmen, wenn sich die mit der Mahnung verbundenen Hinweise auf ein mögliches Insolvenzverfahren nicht in Unverbindlichkeiten erschöpfen, sondern gezielt als Mittel der persönlichen Anspruchsdurchsetzung verwendet werden.

In einer aktuellen Entscheidung vom 07.03.2013 (IX ZR 216/12) hat der BGH nunmehr klargestellt, dass eine die Inkongruenz begründende Drohung mit einem Insolvenzantrag auch dann vorliegen kann, wenn die Möglichkeit eines solchen Vorgehens im Mahnschreiben nur „zwischen den Zeilen“ deutlich gemacht wird, aber dem Schuldner das damit verbundene Risiko klar vor Augen geführt wird. Dafür ist es ausreichend, wenn der Schuldner zur Zeit der Leistung aus seiner – objektivierten – Sicht ernsthaft damit rechnen muss, der Gläubiger werde nach Ablauf der gesetzten Zahlungsfrist Insolvenzantrag stellen. Eine schlichte zahlungsauslösende Mahnung mit Androhung einer Klageerhebung ist prinzipiell unbedenklich. Im vorliegenden Fall hatte der Gläubiger mitgeteilt, dass man sich nicht des Eindrucks erwehren könnte, dass die Schuldnerin nicht in der Lage sei, ihren Zahlungsverpflichtungen nachzukommen und sollte sich dieser Verdacht erhärten, ein Insolvenzantrag ausdrücklich vorbehalten wird.

Dazu ging der BGH davon aus, dass sich der Schuldner des damit verbundenen Risikos einer Nichtzahlung bewusst werden sollte. Dies sei ausreichend, um die Wirkung einer Drohung mit einem Insolvenzantrag zu entfalten. Da der Gläubiger von der Schuldnerin ein Verhalten verlangte, welches auf eine Bevorzugung auf Kosten der übrigen Gläubiger hinauslief und den Grundsatz der gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung zuwiderläuft, sei es entsprechend zu sanktionieren.

Auch den Zurechnungszusammenhang zwischen Drohung und Zahlung bejahte das Gericht. Die Zahlung erfolgte hier einen Tag nach Ablauf der gesetzten Frist, die Wirkung der Drohung dauerte damit nach Auffassung des BGH offenkundig noch an.

Der BGH bestätigt hier ein weiteres Mal, dass sich der Gläubiger, der sich nicht auf eine bloße Mahnung und dann auf Klageerhebung beschränkt, sondern seine Forderungen etwas massiver durchsetzt, sich je nach Formulierung einer Mahnung der Gefahr aussetzt, dass ein späterer Insolvenzverwalter die Zahlung aufgrund dieser Drohung anficht. Hierbei ist insbesondere zu beachten, dass auch eine vorsätzliche Gläubigerbenachteiligung aufgrund des starken Beweisanzeichens einer durch eine solche Drohung ausgelöste Inkongruenz eintreten kann, was den Anfechtungszeitraum über die Drei-Monats-Frist vor Antragsstellung hinaus ausdehnen kann.

Es ist also Vorsicht bei einer zu harten Formulierung von Mahnungen und insbesondere bei Ankündigungen von Insolvenzanträgen für den Fall der Nichtzahlung zu wahren, um dieser Gefahr entgegenzuwirken.

 

Christian Schlemmer

Fachanwalt für Insolvenzrecht

Fachanwalt für Arbeitsrecht

 

Karlsruhe

 

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