Die schwierige Interessenabwägung des Arbeitgebers bei sexuellen Belästigungen im Betrieb

Leider stellt sich immer einmal wieder die Frage, wie auf eine sexuelle Belästigung und deren Behauptung von Seiten des Arbeitgebers reagiert werden kann bzw. reagiert werden muss. Hier hat das Bundesarbeitsgericht in seinem Urteil vom 20.11.2014 – 2 AZR 651/13 – nähere Leitlinien aufgestellt.

Dabei ist zunächst festzuhalten, dass eine sexuelle Belästigung eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen kann. Natürlich sind auch hier die Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Eine solche sexuelle Belästigung liegt gem. § 3 Abs. 4 AGG vor, wenn ein unerwünschtes sexuell bestimmtes Verhalten bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird. Bereits eine einmalige Verhaltensweise dieser Art kann den Tatbestand erfüllen. Auf ein vorsätzliches Verhalten kommt es nicht an, maßgeblich ist allein, ob die gewünschte Unerwünschtheit der Verhaltensweisen objektiv erkennbar war.

Beruht eine Vertragspflichtverletzung, wie diese Belästigung, auf einem steuerbaren Verhalten des Arbeitnehmers, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass ein künftiges Verhalten schon durch die Androhung von Folgen positiv beeinflusst wird. Einer Abmahnung bedarf es daher nur dann nicht, wenn bereits vorab erkennbar ist, dass eine Verhaltensänderung in Zukunft auch nach der Abmahnung nicht zu erwarten ist oder es sich um eine so schwerwiegende Pflichtverletzung handelt, dass selbst eine erstmalige Hinnahme für den Arbeitgeber unzumutbar und auch offensichtlich für den Arbeitnehmer ausgeschlossen ist.

Die Prüfung der Sanktionen ist durch § 12 Abs. 3 AGG konkretisiert und zwar muss bei Verstößen gegen das Verbot der sexuellen Belästigung im Einzelfall die geeignete, erforderliche und angemessene arbeitsrechtliche Maßnahme ergriffen werden, wobei natürlich der Einzelfall insgesamt abzuwägen ist. Geeignet ist eine solche Maßnahme aber nur, wenn der Arbeitgeber davon annehmen darf, dass die Benachteiligung für die Zukunft abgestellt wird, also eine Wiederholung ausgeschlossen ist.

Insoweit sind eskalierend Abmahnung, Umsetzung, Versetzung, ordentliche Kündigung und außerordentliche Kündigung zu prüfen.

Ein Irrtum des Arbeitnehmers über die Unerwünschtheit seiner Verhaltensweisen kann bei der Interessenabwägung auch dann zu seinen Gunsten berücksichtigt werden, wenn er die Fehleinschätzung hätte vermeiden können und auch ein entschuldigendes Verhalten, das erst unter dem Eindruck einer drohenden Kündigung gezeigt wird, kann die Annahme stützen, es bestünde keine Wiederholungsgefahr mehr, wenn es sich um die Bestätigung einer bereits zuvor gezeigten Einsicht handelt.

Die Interessenabwägung und die Reaktion ist im Einzelfall sehr schwierig vorzunehmen und bedarf einer umfassenden Sachverhaltsaufklärung und die Klärung der Motivlagen der Beteiligten, die ebenso schwierig vorzunehmen ist. Hier sollte auf jeden Fall mit dem notwendigen Fingerspitzengefühl, aber auch mit dem zum Schutz der Betroffenen notwendigen Engagement vorgegangen werden.

 

Christian Schlemmer

Fachanwalt für Insolvenzrecht

Fachanwalt für Arbeitsrecht

 

Karlsruhe

 

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