Am 17.12.2014 hat das Bundesverfassungsgericht (Az. 1 BvL 21/12) entschieden, dass die Verschonung von der Erbschaftssteuer beim Übergang betrieblichen Vermögens in den §§ 13 a und 13 b ErbStG mit dem Gleichheitsgrundsatz unvereinbar ist. Es stellt sich daher nunmehr für viele die Frage, welche Auswirkungen diese Entscheidung auf den anstehenden bzw. für die Zukunft geplanten Generationenwechsel im eigenen Unternehmen haben wird bzw. ob hier noch Auswirkungen für bereits abgewickelte Übertragungen von betrieblichen Vermögen zu befürchten sind.
Bemerkenswert ist in dieser Angelegenheit bereits, wie es hier überhaupt zur Vorlage an das Bundesverfassungsgericht kam. Zu Grunde lag hier die aufgrund des entsprechenden Aktenzeichens sogenannte „9/11-Entscheidung“ des Bundesfinanzhofs vom 22.09.2012, Az. II R 9/11. Der Kläger hatte sich in diesem Verfahren lediglich dagegen gewandt, dass aufgrund der umfassenden Erbschafts- und Schenkungssteuerrechtreform , die zum 01.01.2009 in Kraft trat, Personen der Steuerklassen II und III bei Vermögensübertragungen im Jahr 2009 gleichgestellt wurden. Bezüglich dieser zugrundeliegenden Frage bejahte der BFH in seiner Entscheidung die Verfassungsmäßigkeit, dennoch nahm er dieses Verfahren zum Anlass, die erst 2009 eingeführte Neuregelung zur Privilegierung von Betriebsvermögen im Erbschafts- und Schenkungssteuerrecht durch das Bundesverfassungsgericht überprüfen zu lassen.
Auf ähnliche Art und Weise war es zuvor auch schon zur jetzt wiederum für verfassungswidrig erklärten Neuregelung des Erbschafts- und Schenkungssteuergesetzes gekommen, nachdem das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 07.11.2006, Az. 1 BvL 10/02, die bis dahin geltenden Regelungen des Erbschafts- und Schenkungssteuerrechts fassungswidrig erklärt hatte. Es scheint also, dass sich die Geschichte hier wiederholt. Wiederum sind Unternehmen unsicher, was die Unternehmensnachfolgeregelung anbetrifft. Aber auch für die beratenden Berufe wie Steuerberater und Rechtsanwälte ergeben sich aus der neuerlichen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts erhebliche Schwierigkeiten für die Beratung zur Unternehmensnachfolge.
Zunächst einmal seien all diejenigen beruhigt, die ihr Unternehmen bzw. Unternehmensteile in den letzten Wochen und Monaten auf die nächste Generation übertragen haben, in ihren Fällen greift in jedem Fall noch Vertrauensschutz, so dass eine Neuregelung des Erbschafts- und Schenkungssteuergesetzes diese Übertragung in jedem Fall nicht erfassen würde.
Recht wahrscheinlich werden sich auch Übertragungen von Betriebsvermögen im Zeitraum bis zur aufgrund der Verfassungsgerichtsentscheidung erforderlichen Neuregelung des Erbschaftssteuerrechts noch nach den bisherigen Vorschriften richten.
So hat das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber eine Frist zur Neuregelung bis zum 30.06.2016 gesetzt. Bis dahin werden die bislang geltenden Vorschriften des Erbschaftssteuer- und Schenkungssteuergesetztes weiter anwendbar sein. In der Entscheidungsbegründung weist das Bundesverfassungsgericht aber ausdrücklich darauf hin, dass diese Fortgeltung der für verfassungswidrig erklärten Normen keinen Vertrauensschutz gegenüber einer bis zur Urteilsverkündung rückwirkenden Neuregelung begründet. Die nun vom Gesetzgeber zu schaffende Neuregelung könnte also nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts durchaus Rückwirkung bis zum Zeitpunkt der Verkündung der Entscheidung, also bis zum 17.12.2014, entfalten. Ob der Gesetzgeber diese im Urteil des Bundesverfassungsgerichts angesprochene Möglichkeit umsetzen wird, kann aktuell nur schwer beurteilt werden. Allerdings lässt die Aussage des Finanzministers Wolfgang Schäuble, dass lediglich das geändert werden solle, was das Verfassungsgericht verlange, vermuten, dass eine Rückwirkung hier nicht in die Neuregelung mitaufgenommen werden wird. Letztendliche Gewissheit wird aber erst die Neuregelung des Erbschaftssteuerrechts bringen.
Wie die erbschafts- und schenkungssteuerrechtliche Situation für Betriebsübergänge nach der Neuregelung aussehen wird, ist naturgemäß schwer vorherzusagen. Eine komplette Abkehr von der Bevorzugung von Betriebsvermögen im Erbschafts- und Schenkungssteuerrecht wird es aber aller Voraussicht nach nicht geben. So betont auch das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung, dass es durchaus im Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers liege, kleine und mittelständische Unternehmen, die in personaler Verantwortung geführt werden, zur Sicherung ihres Bestandes und damit auch zur Erhaltung der Arbeitsplätze von der Erbschaftssteuer weitgehend oder vollständig freizustellen. Die bestehende Regelung hält das Bundesverfassungsgericht aber insoweit für unverhältnismäßig, wie die Verschonung über den Bereich kleiner und mittlerer Unternehmen hinausgeht, ohne eine Bedürfnisprüfung vorzusehen.
Des Weiteren hält das Bundesverfassungsgericht die Freistellung von der Mindestlohnsumme für Betriebe mit bis zu 20 Beschäftigten für zu weitgehend und schließlich sei auch die Regelung über das Verwaltungsvermögen, wonach der Erwerb von betrieblichem Vermögen auch dann noch uneingeschränkt verschont bleibt, wenn es bis zu 50% aus Verwaltungsvermögen besteht, für nicht mit Artikel 3 Abs. 1 GG vereinbar. In den Entscheidungsgründen heißt es hierzu, die Verschonungsregelung als solche sei grundsätzlich mit dem Gleichheitsgrundsatz vereinbar, bedürfe beim Übergang großer Unternehmensvermögen aber der Korrektur. Hiervon ausgehend dürfte eine Neuregelung daher letztlich auf eine neue Grenzziehung zwischen privilegiertem und nichtprivilegiertem Betriebsvermögen hinauslaufen. Wo genau diese Grenzen dann verlaufen werden, bleibt abzuwarten. Für Prognosen fehlen aktuell noch belastbare Anhaltspunkte. Auch die Frage, ob eine ohnehin in den nächsten Jahren anstehende Unternehmensübertragung noch vor der Neuregelung erfolgen sollte, lässt sich jedenfalls nicht pauschal beantworten. Insoweit dürfte es maßgeblich auf die Größe des zu übertragenden Unternehmens ankommen.
Im Zweifel dürfte der Ratschlag aber wohl dahin gehen, einen Unternehmensübergang noch vor der Neuregelung herbeizuführen, da nach dem oben Erläuterten zumindest eine relativ große Wahrscheinlichkeit besteht, dass eine Neuregelung gerade keine Rückwirkung entfalten würde, so dass für die Unternehmensübertragung dann noch die aktuell fortgeltenden, recht großzügigen Regelungen der §§ 13 a und 13 b ErbStG gelten würden.
Wie lange diese ungewisse Rechtslage fortbestehen wird, kann aktuell nur recht schwer eingeschätzt werden, fest steht hier lediglich, dass es eine Neuregelung spätestens zum 30.06.2016 geben wird. Finanzminister Schäuble hat aber bereits angekündigt, dass die geforderten Neuregelungen „so zügig wie möglich“ umgesetzt werden würden. Insoweit bleibt zu hoffen, dass trotz der angestrebten zügigen Umsetzung diesmal – im Gegensatz zu der letzten grundlegenden Änderung des Erbschaftssteuerrechts im Jahr 2009 – eine beständige und verfassungsgemäße Neuregelung zur Verschonung von Betriebsvermögen geschaffen wird.
Swantje Schreier
Rechtsanwältin
Karlsruhe