Bundesgerichtshof bringt Klarheit zu der Frage, ob die Einziehung eines GmbH-Geschäftsanteils vor Zahlung des Abfindungsentgelts wirksam wird

Der BGH hat in seinem Urteil vom 24.01.2012 die in Schrifttum und Rechtsprechung lange umstrittene Frage geklärt, ob die Einziehung eines GmbH-Geschäftsanteils vor der Zahlung des Abfindungsentgeltes Wirksamkeit entfaltet oder nicht. Nach Auffassung des BGH wird die Einziehung mit der Mitteilung des Beschlusses an den betroffenen Gesellschafter und nicht erst mit der Leistung der Abfindung wirksam, wenn ein Einziehungsbeschluss weder nichtig ist noch für nichtig erklärt wird.

Der Geschäftsanteil eines GmbH-Gesellschafters kann dann, wenn ein wichtiger Grund in der Person des betroffenen Gesellschafters vorliegt und die Satzung der Gesellschaft eine unfreiwillige Einziehung zulässt, per Gesellschafterbeschluss, bei dem der betroffene Gesellschafter kein Stimmrecht hat, zwangsweise eingezogen werden. Der dem betroffenen Gesellschafter gegenüber geschuldete Abfindungsbetrag muss dabei aus freiem, die Stammkapitalziffer nicht beeinträchtigenden Vermögen der Gesellschaft gezahlt werden können (BGH, Urteil vom 05.04.2011 – II ZR 263/08, ZIP 2011, 1104, Rn. 13).

Ob der Geschäftsanteil des betroffenen Gesellschafters bereits im Zeitpunkt des Einziehungsbeschlusses wirksam eingezogen wird, mit der Folge, dass der betroffene Gesellschafter seine Gesellschafterstellung mit der Bekanntgabe des Beschlusses verliert oder aber die Einziehung erst mit der vollständigen Begleichung des Abfindungsentgeltes Wirksamkeit entfaltet, so dass der betroffene Gesellschafter während dieser Schwebezeit gleichsam als „Störenfried“ in der Gesellschaft verbleibt, wurde bislang kontrovers diskutiert:

· Teilweise wurde in Anlehnung an eine Entscheidung des Reichsgerichts (RGZ 142, 286, 291) angenommen, die Einziehung stehe unter der aufschiebenden Bedingung einer Abfindungszahlung aus freiem Vermögen, so dass die Gesellschafterstellung bis zum Eintritt der gesetzlichen Bedingung im Grundsatz aufrechterhalten bleibe.

· Überdies wurde vertreten, die Einziehung sei sofort wirksam (bspw. OLG Hamm, GmbHR 1993, 743, 746 ff.).

· Eine weitere Position bestand darin, dem ausgeschiedenen Gesellschafter das Recht zu vermitteln, mit der Auflösungsklage nach § 61 GmbHG die Liquidation der Gesellschaft herbeizuführen, teilweise verbunden mit einem Wiedereintrittsrecht (Goette, Festschrift Lutter 2000, S. 399, 409).

· Daneben wurde die Ansicht vertreten, die vom Reichsgericht postulierte aufschiebende Bedingung der Abfindungszahlung in eine auflösende Bedingung des Einziehungsbeschlusses als angemessenere, den Interessen beider Seiten besser Rechnung tragende Lösung umzuwandeln (Scholz/Westermann, § 34 Rn. 56);

· Schließlich wurde vertreten, die verbleibenden Gesellschafter mit einer Ausfallhaftung zu belegen: Die Mitgesellschafter seien verpflichtet, dem ausgeschiedenen Gesellschafter die Abfindung pro rata ihrer Beteiligung zu zahlen, soweit die Gesellschaft die Abfindung nicht leisten darf (Altmeppen in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 34 Rn. 21 ff.).

Mit seinem Urteil vom 24.01.2012 hat sich der Bundesgerichtshof der zuletzt genannten Ansicht angeschlossen. Dabei hat sich der BGH dem Grundsatz bedient, dass Beschlüsse regelmäßig wirksam und vollziehbar werden, sobald sie gefasst worden sind (BGH, II ZR 109/11, Rn. 13). Gesetzlich stehe der Einziehungsbeschluss nicht unter der Bedingung, dass das Einziehungsentgelt gezahlt werde. § 34 Abs. 3 GmbHG soll im Interesse der Gläubiger sicherstellen, dass die Gesellschafter die Kapitalerhaltungspflicht nach § 30 Abs. 1 GmbHG nicht durch die Aufgabe der Mitgliedschaft umgehen, soll aber nicht – so der BGH – den Abfindungsanspruch der Gesellschafter schützen. Der Schutz des Abfindungsanspruches gebiete es nicht, schon die Wirksamkeit der Einziehung von der Zahlung der Abfindung abhängig zu machen und die damit verbundenen Nachteile in Kauf zu nehmen.

Der Bedingungslösung hat der BGH insbesondere wegen der dadurch entstehenden Schwebelage eine Absage erteilt. Danach bleiben dem ausgeschiedenen Gesellschafter während der Schwebezeit nämlich seine mitgliedschaftlichen Rechte jedenfalls grundsätzlich erhalten, obwohl es zumindest dann, wenn ein wichtiger Grund in seiner Person zur Einziehung geführt hat, der Gesellschaft und den verbleibenden Gesellschaftern gerade unzumutbar ist, dass er weiter in der Gesellschaft bleibt. Selbst wenn die mitgliedschaftlichen Rechte wie das Stimmrecht eingeschränkt werden, können die Unklarheiten der Ausübungsbeschränkungen eine stete Quelle neuen Streits bilden.

Nach Auffassung des BGH werden die Interessen der Beteiligten am besten dadurch ausgeglichen, dass die Gesellschafter, die den Einziehungsbeschluss gefasst haben, dem ausgeschiedenen Gesellschafter anteilig haften, wenn sie nicht anderweitig dafür sorgen, dass die Abfindung aus dem ungebundenen Vermögen der Gesellschaft geleistet werden kann oder sie die Gesellschaft nicht auflösen. Nach der Ansicht des BGH erscheint es nicht unbillig, wenn die Gesellschafter die Gesellschaft fortsetzen anstatt sie aufzulösen, weil sie darin einen wirtschaftlichen Vorteil und einen Mehrwert für ihren Anteil erblicken, sie zum Ausgleich für den Abfindungsanspruch persönlich haften zu lassen, wenn die Gesellschaft ihn wegen der Kapitalbindung nicht erfüllen darf. Eine bei Fassung des Einziehungsbeschlusses unabsehbare persönliche Haftung sei damit nicht verbunden, so der BGH: Die Gesellschafter könnten ihre persönliche Inanspruchnahme durch Ausgleich der Unterdeckung oder durch die Auflösung der Gesellschafter vermeiden. Auch würden die Nachteile der weiteren Mitgliedschaft eines „Störenfrieds“ weitgehend vermieden. Eine Ungewissheit über die Ausübung mitgliedschaftlicher Rechte wegen eines Streits über den Einziehungsgrund oder die Höhe der Abfindung, der dazu führt, dass zunächst unklar sein kann, ob die Abfindung aus dem angegebenen Vermögen geleistet werden kann, kann nicht vermieden werden – so die zutreffende Auffassung des BGH.

Es ist zu begrüßen, dass der BGH mit seinem Urteil vom 24.01.2012 Klarheit geschaffen hat. Auch ohne explizite Satzungsanordnung scheidet ein Gesellschafter mit Bekanntgabe des Zwangseinziehungsbeschlusses aus der Gesellschaft aus und nicht erst mit der Leistung der Abfindung.

Jörg Schröder

 

Rechtsanwalt<br/>

Karlsruhe