Betriebsübergang nach § 613 a BGB bei Auftragsneuvergabe

Bei Neuvergabe eines Auftrages zur Erbringung von Sicherheitsdienstleistungen kann ein Betriebsübergang nach § 613 a BGB im Wesentlichen dadurch verursacht werden, das ein Datenverarbeitungssystem als unverzichtbare Voraussetzung für die effiziente Wahrnehmung des Auftrages weiterhin verwendet wird.

Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg hat in zwei Urteilen (17 Sa 61/11 vom 02.01.2012 und 1 Sa 24/11 vom 17.02.2012) die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und des Europäischen Gerichtshofs zur Frage des Vorliegens eines Betriebsübergangs bei Neuvergabe eines Auftrags weiter konkretisiert.

Danach reicht es für ein Fortbestehen der organisatorischen Einheit aus, wenn ein Auftrag für umfassende Sicherheitsdienstleistungen neu vergeben wird und die Tätigkeit im Wesentlichen unverändert und ohne Unterbrechung fortgesetzt wird und dabei trotz fehlender Übernahme von Arbeitnehmern, die dieser komplexen Sicherheitsdienstleistung zu Grunde liegende Datenverarbeitungsanlage übernommen und weiterhin eingesetzt wird. Dieses Kriterium ist dann entscheidend, wenn das System unverzichtbare Voraussetzung für eine effiziente Wahrnehmung des Auftrages ist.

Immer wieder stellt sich die Frage, ob bei einem Austausch von Subunternehmern der neue Auftragnehmer sich mit dem Risiko eines Betriebsübergangs, das heißt der Übernahme aller Arbeitnehmer des alten Subunternehmers, ausgesetzt sieht, was insbesondere dann problematisch sein kann, wenn dieser den Auftrag eigentlich mit eigenen Arbeitnehmern erfüllen will.

Der Europäische Gerichtshof und das Bundesarbeitsgericht sowie die untergeordneten Instanzen haben in den vergangenen Jahren hierzu in einer Vielzahl von Entscheidungen Leitlinien vorgegeben, dennoch sind die Grenzbereiche im Einzelfall immer noch sehr offen. Bewachungsaufträge hatte das Bundesarbeitsgericht in der bisherigen Rechtsprechung bei der Neuvergabe des Auftrags nicht als Betriebsübergang, sondern als Auftrags- oder Funktionsnachfolge angesehen.

Ein Betriebsübergang nach § 613 a Absatz 1 Satz 1 BGB setzt einen rechtsgeschäftlichen Übergang eines Betriebes oder Betriebsteils voraus, bei dem die Identität der betreffenden wirtschaftlichen Einheit gewahrt wird. Dieser Begriff der wirtschaftlichen Einheit bzw. des Betriebsteils bezieht sich auf eine organisatorische Gesamtheit von Personen und Sachen, zur auf Dauer angelegten Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit eigener Zielsetzung. Dabei ist seit der Entscheidung des BAG vom 27.11.2011 (8 AZR 326/09) klar, dass diese Teileinheit auch bereits beim früheren Betriebsinhaber diese Qualität einer selbständigen abtrennbaren organisatorischen Einheit gehabt haben muss.

Bei der Prüfung, ob eine solche Einheit übergegangen ist, müssen sämtliche, diesen Betriebsteil betreffenden Tatsachen berücksichtigt werden und im Rahmen einer Gesamtwürdigung je nach Art des betreffenden Unternehmens abgewogen werden, wobei die unterschiedlichen Kriterien je nach Branche unterschiedlich stark gewertet werden müssen. Anerkannt ist hier die Differenzierung nach betriebsmittelgeprägten und betriebsmittelarmen Betrieben, wobei bei Ersteren die Übernahme der Betriebsmittel und bei Zweiteren die Übernahme der Mitarbeiter in der Regel zu einem Betriebsübergang führen soll. Nun gibt es Mischformen bei denen die Abgrenzung unsicher sein kann. Die Art des Unternehmens, der etwaige Übergang der materiellen Betriebsmittel (Gebäude, bewegliche Güter) der Übergang der immateriellen Aktiva, die Übernahme der Hauptbelegschaft, der etwaige Übergang der Kundschaft sowie der Grad der Ähnlichkeit der vor und nach dem Übergang verrichteten Tätigkeiten und die Dauer einer etwaigen Unterbrechung sind zu berücksichtigen. Auch die Merkmale des Personals, der Führungskräfte, der Arbeitsorganisation, der Betriebsmethoden und gegebenenfalls der ihr zur Verfügung stehenden Betriebsmittel sind zu bewerten.

Im vorliegenden Fall waren unstreitig mehrere Kriterien positiv erfüllt, nämlich der im Wesentlichen unveränderte Betriebszweck, die Fortführung ohne Unterbrechung und der Übergang des Kunden (wie immer bei der Auftragsneuvergabe). Als entscheidendes Kriterium wurde aber der Übergang der maßgeblichen immateriellen Betriebsmittel und der materiellen Betriebsmittel angesehen. Allein der Umstand, dass sämtliche Betriebsmittel für die Erbringung einer Dienstleistung erforderlich sind, führt allein zwar noch nicht dazu, dass die Betriebsmittel für die betriebliche Tätigkeit identitätsprägend sind und damit zur Annahme einer betriebsmittelgeprägten Betriebes führen (BAG 8 AZR 607/07, Urteil vom 25.09.2008). Im vorliegenden Fall wurde dies jedoch angenommen, da bei wertender Betrachtung der Einsatz der Datenverarbeitungsanlage den eigentlichen Kern des zur Wertschöpfung erforderlichen Funktionszusammenhangs ausmachte, nur durch die zur Verfügung gestellten Hard- und Softwarefunktionen wurde die Sicherheitsdienstleistung in der vorliegenden Form gewährleistet. Einer Übernahme von Mitarbeitern bedurfte es daher nicht, um einen Betriebsübergang auszulösen.

Diese beiden Entscheidungen zeigen ein weiteres Mal, dass bei der Auftragsneuvergaben für den Auftragsnehmer das Thema des Betriebsübergangs auf jeden Fall betrachtet werden sollte und jeder Einzelfall gesondert zu bewerten ist. Der Übergang der Datenverarbeitungssysteme ist deswegen von entscheidender Bedeutung, da davon auszugehen ist, dass in Zukunft in immer mehr Branchen die modernen IT- und Kommunikationsmittel eine immer stärkere und damit auch immer stärker identitätsprägende Wirkung auf die betriebliche Tätigkeit ausüben werden. Insoweit sind diese beiden Entscheidungen richtungsweisend.

 

Christian Schlemmer

Fachanwalt für Arbeitsrecht

 

Karlsruhe