
Arbeitsrecht im Wandel: Die Pläne der neuen „GroKo“
Der 20. Deutsche Bundestag hat in seiner letzten Sitzung am 18. März 2025 Änderungen des Grundgesetzes beschlossen, die für die kommende 21. Legislaturperiode milliardenschwere Finanzpakete bereitstellen. Mit der nunmehr am 21. März 2025 erteilten Zustimmung des Bundesrates zur Grundgesetzänderung ist damit der Weg für die Koalitionsverhandlungen zwischen CDU/CSU und SPD frei. Auf die arbeitsrechtlichen Neuerungen, die unter der künftigen Koalition zu erwarten sind, gibt bereits das gemeinsame Sondierungspapier der Parteien erste Hinweise. Dieser Beitrag gibt einen Ausblick auf die geplanten Neuerungen, mit denen Arbeitgeber unter der neuen Regierung rechnen sollten:
Mindestlohn
Für das Jahr 2026 peilen die Koalitionspartner einen gesetzlichen Mindestlohn i.H.v. 15 Euro an. Die Mindestlohnkommission soll insofern weiterhin für die Festsetzung des Mindestlohns zuständig bleiben. Die Kommission soll sich künftig jedoch nicht nur an der nachlaufenden Tarifentwicklung orientieren, sondern im Rahmen einer Gesamtabwägung auch die Kenngröße von 60 Prozent des Bruttomedianlohns der Vollzeitbeschäftigten berücksichtigen. Über diese Änderungen soll die Zielgröße von 15 Euro Mindestlohn im Jahr 2026 erreicht werden.
Tariflöhne und Tariftreue
Nach dem Willen der Koalitionspartner „müssen“ Tariflöhne „wieder die Regel werden“. Um dieses Ziel zu erreichen, soll ein „Tariftreuegesetz“ geschaffen werden. Die geplante Systematik hinter diesem Gesetz wird in dem Sondierungspapier nicht dargelegt und ist daher aktuell noch eine „Blackbox“.
Flexiblere Arbeitszeitmodelle
Nach der Entscheidung des BAG im Jahr 2022 zur Notwendigkeit einer genauen Arbeitszeiterfassung steht eine Neuregelung des ArbZG weiterhin aus. Die Koalitionspartner streben hier „im Einklang mit der europäischen Arbeitszeitrichtlinie“ die Schaffung einer wöchentlichen anstatt einer täglichen Höchstarbeitszeit an. Die Ruhezeitenregelungen sollen jedoch erhalten bleiben. Die Koalitionspartner versprechen sich von diesen Änderungen eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Aber auch für Arbeitgeber dürfte dieses Vorhaben ein Mehr an Flexibilität bedeuten.
Digitalisierung und KI als Gegenstand betrieblicher Mitbestimmung
In Bezug auf die „Herausforderungen“ der Digitalisierung und der KI in der künftigen Arbeitswelt, soll die sozialpartnerschaftliche Mitbestimmung gestärkt werden. Ob sich diese Erweiterung der Mitbestimmungsrechte in einer umfassenden Reform des BetrVG niederschlagen wird, bleibt abzuwarten. Arbeitgeber müssen sich jedoch in Bezug auf die zuvor beschriebenen „Herausforderungen“ wohl auf ein Mehr an sozialpartnerschaftlicher Mitbestimmung einstellen. Im Ausgangspunkt wäre es wünschenswert, wenn die Koalitionspartner die Bereiche Digitalisierung und der KI als Chance und nicht Herausforderung begreifen würden.
Zuschläge für Mehrarbeit und Prämien für den Wechsel in Vollzeit
Der demographische Wandel wird in den kommenden Jahren dazu führen, dass die vorhandene Arbeit durch immer weniger Beschäftigte erbracht werden muss. Wohl vor diesem Hintergrund planen die Koalitionsparteien die vorhandenen Beschäftigten zu längeren Arbeitszeiten zu bewegen: Geplant ist daher, Zuschläge für (übertarifliche) Mehrarbeit steuerfrei zu stellen. Weiterhin sollen steuerliche Anreize für die Zahlung von Prämien geschaffen werden, die ein Arbeitgeber seinen Teilzeitbeschäftigten für die Ausweitung deren Arbeitszeit gewährt. Vor dem Hintergrund der nationalen und unionsrechtlichen Rechtsprechung zum Verbot der Diskriminierung von Teilzeitbeschäftigen werden die Koalitionspartner hier einen schmalen Grat beschreiten müssen.
Fachkräftegewinnung und Bürokratieabbau
Kein Sondierungspapier der Neuzeit kommt ohne das Wort „Bürokratieabbau“ aus; so verhält es sich auch diesmal: Hinsichtlich der Fachkräftegewinnung geloben die Verhandlungspartner „eine konsequente Digitalisierung der Prozesse und eine beschleunigte Anerkennung der Berufsqualifikation“. In diesem Zuge will man eine „digitale Agentur für Fachkräfteeinwanderung“ schaffen, die ausländischen Fachkräften als „einheitliche Ansprechpartnerin“ dienen soll. Es bleibt abzuwarten, ob diese Vorhaben echte Hürden senken oder sich als großangelegte globale Marketingkampagne entpuppen.
Gleicher Lohn für gleiche Arbeit
Kaum mehr als ein Lippenbekenntnis kann dem Sondierungspapier zu dem Thema „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ entnommen werden. Was der künftige Gesetzgeber zur Erreichung dieses Ziels plant, weiß er wohl aktuell selbst noch nicht, wenn davon die Rede ist, dass man gesetzliche Schritte prüfen wolle.
Fazit
In der aktuellen wirtschaftlichen Lage klingt das Sondierungspapier in den Ohren der Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber des Landes sicherlich nicht nach dem Aufbruch, den man sich erhofft hat. Die Flexibilisierung der Arbeitszeit ist vor dem Hintergrund der Digitalisierung und Dezentralisierung weiter Teile der Arbeitswelt zu begrüßen. Richtigerweise planen die Koalitionspartner Anreize zur Leistung von Mehrarbeit und ein umfassendes Programm zur Fachkräftegewinnung im Ausland; ohne eine Steigerung der verfügbaren Arbeitskraft wird Deutschland in den kommenden Jahren absehbar im internationalen Vergleich an Wettbewerbsfähigkeit verlieren.
Angesichts der Herausforderungen, mit denen sich der Wirtschaftsstandort Deutschland konfrontiert sieht, bleibt zu hoffen, dass die Koalitionsverhandlungen echte Impulse hervorbringen. Erste Zwischenergebnisse liegen bereits vor; da man sich während der laufenden Verhandlungen jedoch zur Verschwiegenheit verpflichtet hat, wird erst in einigen Wochen Klarheit herrschen. Allzu viel Zeit sollten sich die Parteien nicht lassen.
Tätigkeitsfelder von Simon Fehrenbach
- Arbeit und Beruf, Öffentlicher Sektor, Unternehmen und Unternehmer