Wie geht der Arbeitgeber mit nicht geimpfeten Arbeitnehmern um?

Gerade angesichts der derzeit überall im Vormarsch befindlichen Delta-Variante bleibt die Corona-Pandemie auch am Arbeitsplatz ein brisantes Thema. Mit fortschreitender Durchimpfung wird die Verantwortung mehr und mehr wieder in die Hände nichtstaatlicher Akteure gegeben.

Doch auch gerade deshalb stellt sich für Arbeitgeber vermehrt die Frage, was getan werden kann oder auch muss, wenn Arbeitnehmer verweigern, sich an im Betrieb an Corona-Maßnahmen zu halten, sich testen zu lassen oder sich nicht impfen lassen. Schließlich kann ein Ausbruch im Betrieb nicht nur einen wirtschaftlichen Schaden oder einen bedeutenden Imageverlust auslösen, sondern vor allem eine Vielzahl von Erkrankten mit möglichen Langzeitfolgen von COVID 19.

 

I. Schutzmaßnahmen im Allgemeinen

Den Arbeitgeber trifft allein schon aus § 618 BGB die Pflicht, die Arbeitsumgebung so zu gestalten, dass Gefahren für die Gesundheit von Mitarbeitern insoweit vermieden werden, wie dies die Natur der Arbeitsleistung zulässt. Konkretisiert durch die CoronaArbeitsschutzVO hat der Arbeitgeber entsprechende Maßnahmen zu veranlassen.

Im Gegenzug steht ihm auch das entsprechende Direktionsrecht nach § 106 GewO zu, Corona-Schutzmaßnahmen wie etwa die AHA+L-Regeln anzuordnen. Gerade weil das Infektionsgeschehen hochgradig abhängig von individuellem Verhalten ist, besonders Langzeitfolgen noch nicht abschließend geklärt sind und das Risiko nicht vollständig abschätzbar ist, muss es dem Arbeitgeber gestattet sein, umfassende Maßnahmen durchzusetzen. Das arbeitgeberseitige Interesse des gesundheitlichen Schutzes weiterer Beschäftigter und Besucher überwiegt deshalb das Interesse eines einzelnen Arbeitnehmers. (s. im Hinblick auf das Tragen einer Maske: LAG Köln, Urteil vom 12.4.2021 – 2 SaGa 1/21).

Weigert sich einer der Beschäftigten im Betrieb, die verordnete Schutzmaßnahmen umzusetzen, kann dies aus verschieden Gründen Sanktionen zur Folge haben. Zum einen verstößt der Arbeitnehmer hierdurch gegen die Anordnung des Arbeitgebers, was per se schon eine Abmahnung oder bei besonderer Beharrlichkeit des Verstoßes eine Kündigung rechtfertigen kann. Zudem gefährdet sein Verhalten die Gesundheit der übrigen Mitarbeiter. Hierbei ist es unerheblich, ob es tatsächlich zu einem Schaden, d. h. einer Infektion bei anderen Arbeitnehmern oder Dritten, gekommen ist oder nicht (LAG Köln v. 17.3.1993 – 7 Sa 13/93).

Regelmäßig ist es hierbei nicht zielführend und dem Arbeitgeber auch nicht zuzumuten, eine ordentliche fristgemäße Kündigung auszusprechen, wenn während der Kündigungsfrist die Gefahr weiterer Verstöße besteht. Sollte sich der Arbeitnehmer während der Frist auch weiterhin nicht an Corona-Schutzmaßnahmen halten, begründet dies eine Gefahr für andere Mitarbeiter und den Arbeitgeber.

Einer Abmahnung bedarf es hingegen nicht bei negativer Zukunftsprognose. Das wird wohl der Fall sein, wenn die Verstöße des Arbeitnehmers so beharrlich sind, dass zukünftig nicht mit einer Änderung des Verhaltens zu rechnen ist (Kleinebrink, NZA 2020, 1361). Dann kommt eine außerordentliche fristlose Kündigung in Betracht.

Aufgrund des ultima-ratio-Prinzips der Kündigung kommt diese zwar nur in Betracht, wenn Arbeiten im Home-Office nicht vergleichbar möglich ist. Es besteht allerdings keine Pflicht, entsprechende Strukturen zu schaffen, wenn diese noch nicht vorhanden sind.

Des weiteren wirft die Covid-Pandemie erneut die Frage auf, ob auch das Verhalten eines Mitarbeiters außerhalb des Betriebs arbeitsrechtliche Konsequenzen haben kann. Denn außerhalb der Arbeitszeit ist der Arbeitnehmer grundsätzlich frei zu tun und zu lassen, was ihm beliebt.

Verbreitet er also in seiner Freizeit etwa über soziale Meiden Verschwörungstheorien, so liegt hierin kein Kündigungsgrund. Anders ist dies jedoch, wenn die private Freizeitgestaltung einen direkten Einfluss auf den Betrieb hat (BAG 27.11.08 – 2 AZR 98/07). Denkbar ist etwa, dass der Arbeitnehmer durch die Teilnahme an Demos oder „Corona-Partys“, in denen bewusst Maßnahmen zur Infektionsverhinderung missachtet werden, das Risiko einer in den Betrieb getragenen Infektion deutlich erhöht. Prominent ist hierzu der Fall eines deutschen Sportlerpaars, deren Teilnahme an einer solchen Demonstration den Rauswurf im Verein zur Folge hatte.

 

II. Testpflicht?

Es besteht für den Arbeitgeber Corona-Arbeitsschutzverordnung die Pflicht, Tests anzubieten. Eine Testpflicht besteht aber grundsätzlich nicht.

§ 4 Corona-ArbSchV Tests in Bezug auf einen direkten Erregernachweis des Coronavirus SARS-CoV-2

(1) Zur Minderung des betrieblichen SARS-CoV-2-Infektionsrisikos hat der Arbeitgeber den Beschäftigten, soweit  diese nicht ausschließlich in ihrer Wohnung arbeiten, mindestens zweimal pro Kalenderwoche kostenfrei einen Test in  Bezug auf einen direkten Erregernachweis des Coronavirus SARS-CoV-2 anzubieten, der vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte zugelassen ist

(2) Testangebote nach Absatz 1 sind nicht erforderlich, soweit der Arbeitgeber durch andere geeignete Schutzmaßnahmen einen gleichwertigen Schutz der Beschäftigten sicherstellt oder einen bestehenden gleichwertigen Schutz nachweisen kann.

Die Verordnung gilt derzeit noch bis zum 24.11.21.

Ein Verweisen der Beschäftigten auf Bürgertests ist nicht erlaubt. Eine Verpflichtung des Arbeitgebers, den Beschäftigten eine Bescheinigung über das Testergebnis auszustellen, besteht aufgrund der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung nicht.

Der Hinweis in § 4 Abs. 2 Corona-ArbSchV ermöglicht es, vollständig geimpfte oder von einer COVID-19-Erkrankung genesene Beschäftigte von dem betrieblichen Testangeboten auszunehmen, sofern man dazu über belastbare Angaben der Beschäftigten verfügt. Die Beschäftigten sind jedoch - mit Ausnahem bestimmter Branchen - nicht verpflichtet, dem Arbeitgeber entsprechende Auskunft über ihren Impf- bzw. Genesungsstatus zu geben. Es ist den Beschäftigten freigestellt ob sie die entsprechenden Informationen weitergeben wollen oder nicht.

 

Durch die pandemiebedingten Erweiterungen der Schutzpflichten kommt in Einzelfällen in Betracht, dass der Arbeitgeber unter bestimmten Voraussetzungen ein negatives Testergebnis verlangen kann.

Grundsätzlich muss der Arbeitgeber sein konkretes Krankheitsbild nicht offenbaren. Durch die gesteigerte Infektionsgefahr für die übrigen Mitarbeiter kann sich jedoch eine Pflicht ergeben, zumindest bei eindeutigen Infektionsanzeichen wie etwa Husten oder Fieber oder Kontakt mit einer bestätigt infizierten Person einen negativen Test vorzulegen, um andere Arbeitnehmer nicht zu gefährden.

Weigert sich der Arbeitnehmer diese Maßnahmen durchzuführen und weist der Arbeitgeber deshalb das Leistungsangebot des Arbeitnehmers zurück, stünde ihm in der Konsequenz ein Zurückweisungsrecht zu und er gerät nicht in Annahmeverzug.

 

III. Impfpflicht?

Am meisten polarisiert in der breiten Gesellschaft wohl das Thema der Impflicht. Auch wenn diese in bundesweit nicht kommen wird, stellt sich dennoch die Frage, wie der Arbeitgeber reagieren kann, wenn sich Arbeitnehmer trotz Möglichkeit nicht impfen lassen wollen.

Grundsätzlich kann das Direktionsrecht nach § 106 GewO eine solche Impfanordnung, die ein Eingriff in die körperliche Integrität darstellt, nicht rechtfertigen.

Nach dem neuen § 23a IfSG dürfen Arbeitgeber aus dem medizinischen Bereich allerdings unter bestimmten Voraussetzungen Daten über den Impfstatus ihrer Beschäftigten erheben. Diese Regelung läuft nur dann nicht ins Leere, wenn der Arbeitgeber aus diesen Daten auch Konsequenzen ziehen kann. So kommt etwa die Weisung in Betracht, dass ungeimpfte Arbeitnehmer bestimmte Tätigkeiten nicht mehr ausführen dürfen. Diese Weisung muss jedoch stets an konkrete Gefahrensituationen gebunden sein, wie etwa wenn es sich um einen Betrieb im gesundheitlichen Sektor handelt.

Wo Abstandsregeln und Hygienemaßnahmen sowie die Aussicht zahlreicher freiwilliger Impfungen ausreichen, um ein nach wissenschaftlicher Erkenntnis hinreichendes Schutzniveau vor Infektionen zu gewährleisten, dort muss der Arbeitgeber sich daher auf eben diese Maßnahmen beschränken – die Impfung als Tätigkeitsvoraussetzung ist in diesem Fall ausgeschlossen (Thüsing/Bleckmann/Rombey, COVuR 2021, 66).

Wegen der Gefahren einer Pandemie könnte jedoch in Betracht, dass der Arbeitgeber aufgrund der allgemeinen Treuepflicht nach § 241 Abs. 2 BGB vom Arbeitnehmer verlangen kann, dass dieser sich impfen lässt, wenn es keine anderen vergleichbaren Schutzmaßnahmen gibt.

 

Offen ist die Frage, ob eine bestehende Impfung künftig zu einer Einstellungsvoraussetzung gemacht werden darf und dementsprechend bereits bei Einstellungsgesprächen hiernach gefragt werden darf. Im Hinblick auf eine Masernimpfung hat das BVerfG bereits geurteilt, dass das Interesse, Kinder ohne Masernschutzimpfung in einer Gemeinschaftseinrichtung betreuen zu lassen, gegenüber dem Interesse an der Abwehr infektionsbedingter Risiken für Leib oder Leben einer Vielzahl von Personen zurücktreten muss (BVerfG, Beschluss vom 11.5.2020 – 1 BvR 469/20). Diese Fragen werden mit Sicherheit in naher Zukunft die Arbeitsgerichte beschäftigen.

 

IV. Handlungsmöglichkeiten - Entschädigungen

Das Testangebot kann der Arbeitgeber für Geimpfte und Genesene, die dies nachweisen, entfallen lassen. Ebenfalls kann man ein Zertifikat ausstellen, das den negativen Test nachweist. Für ein solches Zertifikat kann man aber den Verwaltungsaufwand als Gebühr erheben.

Weitere Erleichterungen für diese Personengruppen sind wohl nicht möglich, insbesondere da die AHAL Regeln und die Maskenpflicht in Innenräumen weiter gelten.

 

Im Rahmen des Hygienekonzepts kann mit dem Betriebsarzt oder dem Arbeitsschutzbeauftragten als Teile Schutzmaßnahmen eine Testflicht eingeführt werden, insbesondere wenn Umgang nicht nur mit betrieblichen Beschäftigten sondern mit Kunden, Lieferanten oder sonstigen Dritten notwendig ist. Denkbar sind auch räumliche Trennungen von Geimpften und Genesenen. Wobei dann darauf geachtet werden muss, dass eine Diskriminierung oder eine schlechtere Behandlung nicht stattfinden. So ist auch ein Zugang zu Gemeinschaftseinrichtungen wie Kantinen auch für Ungeimpfte zu ermöglichen, allerdings kann das Angebot hier eingeschränkt werden, z.B. nur auf Angebote „to go“ oder auf einen Zugang nur mit negativen Test wie in der Innengastronomie.

Es kommt daher auch die Weisung in Betracht, dass gewisse Arbeiten nur durch Geimpfte/Genesene durchgeführt werden können, beispielsweise Arbeiten mit viel Kontakt mit Dritten. Wenn AHAL Regeln aber für einen hinreichenden Infektionsschutz genügen, so sind solche Maßnahmen nicht möglich.

 

Diskutiert wird auch über einen Wegfall der Entschädigung, wenn jemand ungeimpft in Risikogebiete reist oder sonst, weil umgeimpft, in Quarantäne muss und keinen Arbeitslohn erhält

Nach § 53 IfSG erhält keine Entschädigung, wer durch Inanspruchnahme einer Schutzimpfung oder anderen Maßnahme der spezifischen Prophylaxe, die gesetzlich vorgeschrieben ist oder im Bereich des gewöhnlichen Aufenthaltsorts des Betroffenen öffentlich empfohlen wurde, oder durch Nichtantritt einer vermeidbaren Reise in ein bereits zum Zeitpunkt der Abreise eingestuftes Risikogebiet ein Verbot in der Ausübung seiner bisherigen Tätigkeit oder eine Absonderung hätte vermeiden können. Eine Reise ist im Sinne des IfSG vermeidbar, wenn zum Zeitpunkt der Abreise keine zwingenden und unaufschiebbaren Gründe für die Reise vorlagen.

Auch die COVID-Impfung ist eine öffentlich empfohlene Impfung.

Hierauf könnte sollte der Arbeitgeber die Mitarbeiter hinweisen und ihnen mitteilen, dass keine Zahlungen (die der Arbeitgeber auslegt und sich dann vom Staat erstatten lässt) geleistet werden, wenn eine Quarantäne angeordnet wird, nachdem touristische Reisen in Hochrisikogebiete/Virusvariantengebiete stattfinden oder die Impfung nicht durchgeführt wird. Die Quarantäne entfällt ja bei Geimpften in den meisten Fällen.

 

Karlsruhe, 16.08.2021 (akt. 13.09.21)

 

 

Dylan Black

ref. iur.

 

Christian Schlemmer

Rechtsanwalt

Fachanwalt für Arbeitsrecht

Fachanwalt für Internationales Wirtschaftsrecht

Fachanwalt für Insolvenzrecht

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