Anfechtung des Geschäftsführergehalts in der Insolvenz

In seinem Urteil vom 10. Juli 2014 (IX ZR 192/13) befasst sich der Bundesgerichtshof mit der Frage der insolvenzrechtlichen Anfechtbarkeit von Gehaltszahlungen des Arbeitgebers an den Gesellschaftergeschäftsführer.

Dabei schließt der Bundesgerichtshof zunächst eine Anfechtung solcher Lohnzahlung im Wege der Deckungsanfechtung nach § 130 Abs. 1 S. 1 InsO aus. Die Anfechtung von Forderungen, die zu diesem Zeitpunkt und in dieser Weise vom Anfechtungsgegner beansprucht werden durften, ist nur möglich, wenn es sich nicht um ein Bargeschäft im Sinn von § 142 InsO, also um den unmittelbaren Austausch gleichwertiger Leistungen, handelt. Bei der Erbringung von Arbeitsleistung gegen Arbeitsentgelt ist jedoch eine entsprechende Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts vorhanden. Dies gelte auch für die Tätigkeit des (gesellschafter-)Geschäftsführers.

Für das Vorliegen eines Bargeschäfts, das eine Deckungsanfechtung entfallen lassen würde, kommt es entscheidend auf den unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang des Leistungsaustausches an. Das Bundesarbeitsgericht geht – sehr großzügig - davon aus, dass ein unmittelbarer zeitlicher Zusammenhang der ausgetauschten Leistungen noch gegeben ist, wenn der Arbeitgeber Arbeitsentgelt für vom Arbeitnehmer in den vorangegangenen drei Monaten erbrachte Arbeitsleistungen zahlt. Dies kritisiert der Bundesgerichtshof: Ein zeitlicher Zusammenhang, der den Anforderungen an § 142 InsO entspreche, könne nur gegeben sein, wenn die Zahlung des Arbeitsentgelts innerhalb von 30 Tagen ab Fälligkeit der Vergütung erfolgte.

Dies war im zu entscheidenden Fall gegeben, so dass eine Anfechtung der Lohnzahlung des Gesellschaftergeschäftsführers im Wege der Deckungsanfechtung nicht in Betracht kam.

Weiterhin überprüft der Bundesgerichtshof auf die Anfechtbarkeit der Lohnzahlungen des Gesellschaftergeschäftsführers im Rahmen der Vorsatzanfechtung von § 133 Abs. 1 S. 1 InsO. Voraussetzung einer Vorsatzanfechtung ist der Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners bei Vornahme der anfechtbaren Rechtshandlung (vorliegend der Lohnzahlung). Der Gläubigerbenachteiligungsvorsatz fehlt nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs dann, wenn der Schuldner eine kongruente Leistung Zug um Zug gegen eine zur Fortführung seines eigenen Unternehmens unentbehrliche Gegenleistung erbracht hat, die den Gläubigern im Allgemeinen nütze. Dabei gehört zu den für die Betriebsfortführung unverzichtbaren Gegenleistungen auch die Tätigkeit der Arbeitnehmer, deren Mitwirkung für jede betriebliche Wertschöpfung unabdingbar ist. Deswegen scheidet regelmäßig ein Benachteiligungsvorsatz aus, wenn durch Gehaltszahlungen im Zuge eines Bargeschäfts die für die Betriebsfortführung unerlässliche Gegenleistung der Arbeitstätigkeit erfüllt wird. Damit schied eine Anfechtung des an den Gesellschaftergeschäftsführer gezahlten Arbeitsentgeltes im Wege der Vorsatzanfechtung aus, da kein Gläubigerbenachteiligungsvorsatz gegeben war.

Schließlich lässt der Bundesgerichtshof die Anfechtung der Lohnzahlung an den Gesellschaftergeschäftsführer auch nicht nach § 135 InsO zu. § 135 InsO ermöglicht grundsätzlich die Anfechtung von Forderungen aus einem Gesellschafterdarlehen oder gleichgestellten Forderungen. Der Bundesgerichtshof stellt dabei in seinem Urteil klar, dass mit der Gehaltszahlung des Arbeitgebers an den Gesellschaftergeschäftsführer keine einem Darlehen wirtschaftlich entsprechende Forderung befriedigt worden ist. Es habe weder eine Stundung noch ein Stehenlassen der Lohnforderung gegeben.

Das Urteil des Bundesgerichtshofs ist deshalb so bemerkenswert, weil sich der Bundesgerichtshof mit der insolvenzrechtlichen Anfechtbarkeit von Lohnforderungen auseinander setzt, was grundsätzlich in die Zuständigkeit des Bundesarbeitsgerichts fällt, und dabei die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sowohl zum unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang bei Bargeschäften als auch zum Erhalt eines Existenzminimums bei der Anfechtung von Arbeitsentgelt kritisiert. Hier bleibt abzuwarten, wie sich dieses Verhältnis entwickeln wird.

 

Christian Schlemmer

Fachanwalt für Insolvenzrecht

Fachanwalt für Arbeitsrecht

 

Karlsruhe

 

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