Probleme in der Lieferkette am aktuellen Beispiel des Coronavirus (SARS-CoV-2) (Teil 6)

Teil 6: Wenn Geschäftspartner insolvent werden…
Insolvenzantrag und -verfahren

 

Viele Unternehmen haben momentan mit den Folgen der COVID-19-Pandemie zu kämpfen. An diesem aktuellen Beispiel wird deutlich, dass ein Vorfall dieses Ausmaßes zu vielen Problemen in den Lieferketten der (Welt-)Wirtschaft führen kann. Die wirtschaftlichen Folgen durch die Einschränkungen der COVID-19-Pandemie können so schwerwiegend sein, dass Unternehmen insolvent werden.

 

Fraglich ist, wie man sich dann als Gläubigerin einem Insolvenzverfahren verhält, um seine Interessen und Ansprüche bestmöglich zu schützen.

 

a) Der Insolvenzantrag

Das Insolvenzverfahren wird gem. § 13 Abs. 1 S. 1 InsO nur auf Antrag eröffnet. Der Antrag kann beim zuständigen Insolvenzgericht durch den Gläubiger oder Schuldner gestellt werden (§ 13 Abs. 1 S. 2 InsO).

 

Der Insolvenzantrag muss die Voraussetzungen des § 14 InsO erfüllen, insbesondere sind eine fällige Forderung und ein Eröffnungsgrund glaubhaft zu machen. Gründe für die Eröffnung eines Insolvenzverfahren können Zahlungsunfähigkeit des Schuldners gem. § 17 InsO, die drohende Zahlungsunfähigkeit gem. § 18 InsO oder die Überschuldung des Schuldners gem. § 19 InsO sein.

 

Der Gesetzgeber hat auf die COVID-19-Pandemie mit dem Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht vom 27. März 2020 reagiert und damit auch Regelungen für das Insolvenzverfahren getroffen. Bei Gläubigerinsolvenzanträgen, die zwischen dem 28. März 2020 und dem 28 Juni 2020 gestellt werden, setzt die Eröffnung des Insolvenzverfahrens gem. § 3 des Art 1 des Gesetzes zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie voraus, dass der Eröffnungsgrund bereits am 01. März 2020 vorlag.

 

Auf Seite des Schuldners besteht für juristische Personen und Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit gem. § 15a InsO grundsätzlich eine Antragspflicht, deren Nichtbefolgung straf- und haftungsrechtliche Konsequenzen hat. Diese Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrags wurde durch Art. 1 des Gesetzes zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie in § 1 bis zum 30. September 2020 für Unternehmen bestimmter Rechtsformen und deren Geschäftsleitung ausgesetzt. Dadurch wird Unternehmen die Zeit und die Gelegenheit gegeben, die Insolvenz, insbesondere unter Inanspruchnahme staatlicher Hilfen oder auch im Zuge von Sanierungs- oder Finanzierungs-vereinbarungen zu beseitigen. Deshalb gilt die Aussetzung der Antragspflicht nicht, wenn die Insolvenzreife nicht auf den Folgen der COVID-19-Pandemie beruht oder wenn keine Aussichten darauf bestehen, eine bestehende Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen. Hierbei gilt die Vermutung, dass die Insolvenzreife auf den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie beruht und Aussichten auf die Beseitigung einer Zahlungsunfähigkeit bestehen, wenn der Schuldner am 31. Dezember 2019 noch nicht zahlungsunfähig war.

 

b) Das weitere Insolvenzverfahren

Kommt es dennoch zu einem Insolvenzverfahren, sind die Rechte und Befriedigungsaussichten des Gläubigers davon abhängig welche Art von Gläubiger das Unternehmen ist:

 

aa) Aussonderungs- und absonderungsberechtigte Gläubiger

Als erstes werden die Rechte der aussonderungs- und absonderungsberechtigten Gläubiger bedient.

 

Aussonderungsberechtigte Gläubiger können vom Insolvenzverwalter die Herausgabe eines konkreten Gegenstandes verlangen. Sie können durch ein dingliches oder persönliches Recht geltend machen, dass dieser Gegenstand gerade nicht zur Insolvenzmasse gehört (§ 47 InsO), bspw. aufgrund eines Eigentumsvorbehaltes. Daher sind aussonderungsberechtigte Gläubiger auch keine Insolvenzgläubiger. Sie müssen ihre Forderung nicht zur Insolvenztabelle anmelden. Allerdings sollten sie dennoch möglichst schnell dem Insolvenzverwalter mitteilen, dass sie ein Aussonderungsrecht haben.

 

Absonderungsberechtige Gläubiger können sich aus dem Erlös eines bestimmten Gegenstandes der Insolvenzmasse vor anderen Gläubigern befriedigen, nachdem diese verwertet wurde. Dazu gehören z.B bestimmte Sicherungsrechtsinhaber wie Inhaber von Pfandrechten oder Sicherungseigentümer (§§ 49 bis 52 InsO). Auch diese sollten dem Insolvenzverwalter so schnell wie möglich über ihr Absonderungsrecht benachrichtigen. Der Absonderungsberechtigte kann auch auf den Verwertungsprozess Einfluss nehmen und den Gegenstand ggf. selbst zur Befriedigung seiner Forderung übernehmen.

 

bb) Massegläubiger

Dabei handelt es sich um Gläubiger, deren Ansprüche erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet und durch das Verfahren selbst herbeigeführt worden sind (§ 55 InsO).

Bei ihnen erfolgt die Befriedigung aus der Insolvenzmasse. Sie könne ihre Forderungen vor den anderen Insolvenzgläubigern in voller Höhe befriedigen, soweit es die Masse zulässt.

 

cc) Insolvenzgläubiger

Insolvenzgläubiger sind gem. § 38 InsO die Gläubiger, die einen zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründeten Vermögensanspruch gegen den Schuldner haben. Diese können ihre Forderungen nur nach den Vorschriften über das Insolvenzverfahren verfolgen (§ 87 InsO). Die Forderungen werden nach Quoten aus der verbleibenden Insolvenzmasse bedient, wenn sie zur Insolvenzmasse angemeldet und festgestellt wurden.

Die Insolvenzgläubiger müssen ihren Forderungen zur Insolvenztabelle (auch unaufgefordert) anmelden. Es werden nur angemeldete Forderungen vom Insolvenzverwalter berücksichtigt. Grundsätzlich kann die Forderungsanmeldung formlos schriftlich erfolgen. Dabei muss die Forderung nach Art und Höhe und mit ihrem Rechtsgrund benannt sein. Es sollte ein Nachweis durch Urkunden, Belege etc. erfolgen. Nachdem die Forderungen in der Insolvenztabelle eingetragen sind, werden sie durch den Insolvenzverwalter überprüft und ggf. bestritten. Der Gläubiger muss sich dann darauf einstellen Fragen zu seinen Forderungen in einem Prüftermin zu erörtern und falls keine Feststellung der Forderung dabei erreicht werden kann, eine Feststellungsklage zu erheben.

 

dd) Nachrangige Insolvenzgläubiger

Zuletzt kann es sich bei dem Gläubiger auch um einen nachrangigen Insolvenzgläubiger handeln. Diese werden gem. § 39 InsO aus der Insolvenzmasse befriedigt, die dann noch übrig ist. Ihre Erfolgsaussichten auf Befriedigung ihrer Forderungen sind sehr gering.

 

  • Für die Rechtstellung und Befriedungsaussichten des Gläubigers kommt es demnach entscheidend darauf an in welcher rechtlichen Beziehung der Gläubiger zum insolventen Schuldner steht. Es ist im Einzelfall zu untersuchen welche Art von Gläubiger das Unternehmen ist.

 

Durch die neuen gesetzlichen Regelungen soll in erster Linie ein Insolvenzverfahren vermieden werden. Ziel ist es, eine Insolvenz des Schuldners zu verhindern und seine Zahlungsfähigkeit und Geschäftskontakte aufrechtzuerhalten. Kommt es dennoch zu einem Insolvenzverfahren, ist es für den Gläubiger von Bedeutung, welche Stellung er in diesem Verfahren hat. In jedem Fall muss er dann aktiv werden und sich in das Verfahren einbringen. Was er für Möglichkeiten hat und welche gesetzlichen Veränderungen der Gesetzgeber noch vorgenommen hat, ist Gegenstad von Teil 7.

Tätigkeitsfelder von Jörg Schröder

  • Unternehmen und Unternehmer
  • Internationales
  • IP, IT und Datenschutz
  • Familie, Erbe und Vermögen
  • Prozessführung und Schiedsgerichtsbarkeit