Das Ende des Lastschriftwiderrufs durch den Insolvenzverwalter?

Der Lastschriftwiderruf ist seit Jahren ein beliebtes Betätigungsfeld der Insolvenzverwalter. Sowohl Gläubiger, die sich schon befriedigt fühlten und dann doch noch sicher geglaubte Gelder zurückzahlen mussten, als auch Banken, die Rückbuchungen vornehmen und Ausfallrisiken beim Rückgriff im Interbankenverkehr tragen mussten, waren im Insolvenzfall die Leidtragenden.

 

Mit zwei am 20. Juli 2010 verkündeten Entscheidungen haben der IX. und der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes zu einer einheitlichen Rechtsprechung zur Insolvenzfestigkeit der Einzugsermächtigungslastschrift gefunden (XI ZR 236/07, IX ZR 37/09).

Bis zu den Entscheidungen vom 20. Juli 2010 differierten die Rechtsprechung des IX. und des XI. Zivilsenates des Bundesgerichtshofes diesbezüglich. Der für das Insolvenzrecht zuständige XI. Zivilsenat entnahm der Genehmigungstheorie bisher in ständiger Rechtsprechung, dass der Insolvenzverwalter noch nicht genehmigten Lastschriften zumindest widersprechen dürfte, und zwar selbst dann, wenn das Valutaverhältnis hierfür keinen Anlass bietet. Der für das Bankrecht zuständige IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes stufte demgegenüber in ständiger Rechtsprechung einen missbräuchlichen, da nicht durch das Valutaverhältnis gedeckten, Widerspruch als sittenwidriges Handeln im Sinne des § 826 BGB ein. Denn der Insolvenzverwalter unterliege den gleichen Beschränkungen durch das Valutaverhältnis wie der Schuldner.

Mit der Entscheidung vom 20. Juli 2010 eröffnet der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes angesichts des neuen Zahlungsverkehrsrecht der §§ 675c ff. BGB, durch das das Lastschriftverfahren erstmals gesetzlich geregelt wird, der Kreditwirtschaft die Möglichkeit, in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen von der Genehmigungstheorie abweichende Parteivereinbarungen zu treffen. Erteilt der Zahlungspflichtige zugleich mit dem Gläubiger auch seiner Bank die Ermächtigung, die Zahlung auszuführen, ist die Belastungsbuchung ohne weitere Genehmigung durch den Schuldner wirksam. Eine derartige Vereinbarung nach dem Vorbild des auf europäischer Ebene zum November 2009 neu eingeführten SEPA- Lastschriftverfahrens würde bewirken, dass alle im Wege des Lastschriftverfahrens bewirkten Zahlungen auch für den Insolvenzfall Bestand haben. Das Recht des Zahlungspflichtigen nach § 675 x Abs. 4 BGB, binnen acht Wochen nach der Belastungsbuchung von seiner Bank Erstattung des Zahlbetrages verlangen zu können, fällt laut XI. Zivilsenat nicht in die Insolvenzmasse, sodass der (vorläufige) Insolvenzverwalter insoweit keine Verfügungsbefugnis erlangt.

Zudem erkennt der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes eine konkludente Genehmigungsmöglichkeit der Belastungsbuchung weitergehend als bisher an. Bei regelmäßig wiederkehrenden Zahlungen, beispielsweise aus Dauerschuldverhältnissen, laufenden Geschäftsbeziehungen oder zur Steuervorauszahlung, könne je nach den Umständen des Einzelfalls eine konkludente Genehmigung in Betracht kommen, wenn der Zahlungsschuldner der Belastung seines Kontos nicht nach Ablauf einer angemessenen Prüffrist widerspricht, er einen früheren Einzug jedoch bereits genehmigt hatte. Dies gelte zumindest für Konten, die im unternehmerischen Geschäftsverkehr geführt werden.

Zudem hat der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes entschieden, dass der Insolvenzverwalter beziehungsweise Treuhänder in Insolvenzverfahren über das Vermögen einer natürlichen Person nicht mehr schematisch allen noch nicht durch den Schuldner genehmigten Lastschriften widersprechen dürfe, sondern vielmehr die Grenzen des pfändungsfreien Vermögens zu beachten hat. Soweit die Lastschriften nur das pfändungsfreie Schonvermögen betreffen, obliegt allein dem Schuldner die Entscheidung über die Genehmigung und der Insolvenzverwalter darf der Lastschrift nicht widersprechen. Der Verwalter muss dem Schuldner Gelegenheit geben, zu entscheiden, welche Lastschriften aus dem „Schonvermögen“ bedient sein sollen.

In Zukunft wird des also möglich sein, insolvenzfest einen Lastschrifteinzug vornehmen. Entweder die Bankinstitute setzen die Vorgaben des BGH rasch in ihren Bedingungen um oder es wird bereits jetzt das SEPA-Lastschriftverfahren mit den Kunden vereinbart. Damit kann nun eine große Rechtsunsicherheit für Banken und Gläubiger beseitigt werden. Rückzahlungen an die Insolvenzmasse richten sich dann nur noch nach dem Anfechtungsrecht. Bei Widerrufen auf Basis der alten Regelungen gibt es nun erweiterte Möglichkeiten diesen entgegenzutreten.

Christian Schlemmer

 

Rechtsanwalt

Karlsruhe