Betriebliches Eingliederungsmanagement als Voraussetzung für eine krankheitsbedingte Kündigung

Das Bundesarbeitsgericht hat in der Entscheidung vom 24.03.2011 (2 AZR 170/10) noch einmal die Wichtigkeit des Betrieblichen Eingliederungsmanagements (BEM) betont und dabei festgehalten, dass ein fehlendes oder ein fehlerhaftes BEM zu einer erweiterten Darlegungs- und Beweislast im Kündigungsschutzprozess wegen einer krankheitsbedingten Kündigung führt. Der Arbeitgeber muss dann von sich aus zum Fehlen alternativer Beschäftigungsmöglichkeiten vortragen.

Bereits seit der Entscheidung vom 12.07.2007 (2 AZR 716/06) steht fest, dass ein betriebliches Eingliederungsmanagement nach § 84 Abs. 2 SGB IX für alle Arbeitnehmer und nicht nur für behinderte Menschen durchzuführen ist, sofern innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen Krankheit auftreten. Die Verpflichtung zur Durchführung des BEM stellt eine Konkretisierung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes da, mit dem die milderen Mittel wie z.B. die Umgestaltung eines Arbeitsplatzes oder die Weiterbeschäftigung zu geänderten Arbeitsbedingungen ermittelt werden sollen. Das BEM dient dazu, erneuten Krankheitszeiten des Arbeitnehmers vorzubeugen und ihm den Arbeitsplatz zu erhalten.

Der Arbeitnehmer muss dem BEM zustimmen. Dafür muss er zuvor auf die Ziele und den Art und Umfang der hierfür erhobenen Daten hingewiesen werden und zwar in einer Form, die es dem Arbeitnehmer ermöglicht, zu entscheiden, ob er dem BEM zustimmt oder nicht. Die Initiativlast hierfür liegt bei dem Arbeitgeber.

Führt ein Arbeitgeber das BEM nicht oder nicht gemäß den gesetzlichen Mindestanforderungen durch, so darf er nicht pauschal vortragen, er kenne keine alternativen Einsatzmöglichkeiten und es gebe keine leidensgerechten Arbeitsplätze. Der Arbeitgeber hat dann von sich aus alle denkbaren oder vom Arbeitnehmer (außergerichtlich) bereits genannten Alternativen zu würdigen und im Einzelnen konkret darzulegen, aus welchen Gründen sowohl eine Anpassung des bisherigen Arbeitsplatzes an den Arbeitnehmer zuträgliche Arbeitsbedingungen als auch eine Beschäftigung auf einen anderen – leidensgerechten – Arbeitsplatz ausscheiden. Erst nach einem solchen Vortrag kann dem Arbeitnehmer auferlegt werden, sich hierauf substantiiert einzulassen.

Einzige Ausnahme ist, dass ein BEM unter keinen Umständen ein positives Ergebnis hätte erbringen können. Die Darlegungs- und Beweislast hierfür liegt aber beim Arbeitgeber. Da es sich beim BEM in der Regel um einen ergebnisoffenen Prozess handelt, wird dies nur in Ausnahmefällen darzutun sein.

Wir können also jedem Arbeitgeber nur raten, bei längeren Erkrankungen eines Arbeitnehmers und einer eventuellen Kündigungsabsicht in der Folge auf jeden Fall ein betriebliches Eingliederungsmanagement anzuregen, hierzu die Zustimmung des Arbeitnehmers einzuholen und ein BEM unter Beteiligung der entsprechenden Stellen durchzuführen. Andernfalls ist bei einem späteren Kündigungsschutzprozess mit einer erhöhten Darlegungs- und Beweislast zu rechnen, die regelmäßig sehr schwierig zu erfüllen sein wird.

Christian Schlemmer

 

Rechtsanwalt

Karlsruhe