Neue Meldepflicht des Aktionärs gemäss revidiertem OR

 

1. Revision des Obligationenrechts im Rahmen der verstärkten Geldwäschereigesetzgebung

Die Groupe d'Action Financière (GAFI) hat im Jahr 2012 revidierte Empfehlungen zur Bekämpfung der Geldwäscherei publiziert. GAFI wurde 1989 von den G7-Staatschefs und dem Präsidenten der Europäischen Kommission als Arbeitsgruppe ins Leben gerufen, versteht sich selbst heute als international führendes Gremium zur Bekämpfung der Geldwäsche und hat ihren Sitz bei der OECD in Paris.

Die Schweiz hat in der Folge ein Bundesgesetz zur Umsetzung dieser revidierten GAFI-Empfehlungen erlassen; die Referendumsfrist gegen dieses Bundesgesetz ist am 2. April 2015 ungenutzt abgelaufen. Mit diesem Bundesgesetz werden diverse Bundesgesetze geändert (u.a. das Obligationenrecht und das Strafrecht). Ziel ist eine Verschärfung der Geldwäschereigesetzgebung und eine Erhöhung der Transparenz.

An dieser Stelle soll nur auf einen Aspekt dieses Gesamtpakets eingegangen werden, nämlich auf die Änderung des Obligationenrechts im Zusammenhang mit der Meldepflicht für Inhaberaktien und für qualifizierte Beteiligungen. Die entsprechenden neuen Artikel 697i ff. des revidierten OR (revOR) könnten gemäss Information auf der Homepage des Schweizer Staatssekretariats für Internationale Finanzfragen bereits Mitte 2015 in Kraft treten.

2. Meldepflicht für Erwerber von Inhaberaktien

Neu muss sich ein Erwerber einer Inhaberaktie innert Monatsfrist gegenüber der Gesellschaft identifizieren, und zwar mit Vor- und Nachnamen (oder der Firma bei einer juristischen Person) und mit Adresse. Der Erwerber muss einen amtlichen Ausweis bzw. einen Handelsregisterauszug vorlegen. Auch spätere Änderungen dieser Angaben sind der Gesellschaft zu melden. Die Meldepflicht gilt auch für Aktionäre mit Inhaberaktien, die diese bereits bei Erlass des Bundesgesetzes zur Umsetzung der revidierten GAFI-Empfehlungen am 12. Dezember 2014 gehalten haben.

Zwecks Durchsetzung der Meldepflicht kann die Gesellschaft die Mitgliedschaftsrechte, die auf die Inhaberaktie entfallen (z.B. Stimmrecht, Dividendenanspruch), aussetzen, bis die Meldung erfolgt ist (Art. 697m Abs. 1 revOR). Wird die Meldung nicht innert Monatsfrist nachgeholt, verwirken gar die Vermögensrechte (insbesondere der Dividendenanspruch) des Aktionärs. Bei Aktionären, die die Inhaberakten bei Inkrafttreten der revidierten Bestimmungen bereits gehalten haben, erlöschen die Vermögensrechte bei Nichtmeldung spätestens sechs Monate nach Inkrafttreten der revidierten Bestimmungen.

Der Verwaltungsrat ist für die Einhaltung der Meldepflicht verantwortlich und setzt sich bei Nichteinhaltung dem Vorwurf einer Pflichtverletzung und damit dem Risiko einer Verantwortlichkeitsklage aus. Die im ursprünglichen Gesetzesentwurf vorgesehenen Strafbestimmungen bei Verletzung der Meldepflicht durch den Aktionär oder bei nicht korrekter Führung der Verzeichnisse wurden im Verlauf der parlamentarischen Beratungen hingegen gestrichen.

Statt der Meldung an die Gesellschaft kann mit Beschluss der Generalversammlung alternativ die Meldung an einen Finanzintermediär (im Sinne des Geldwäschereigesetzes) vorgesehen werden, der wiederum der Gesellschaft Auskunft erteilen muss, für wie viele Inhaberaktien der Besitz gemeldet und nachgewiesen wurde (Art. 697k Abs. 1 revOR).

Diese neue Vorschrift gilt für alle nicht an der Börse kotierten Gesellschaften. Es gibt – anders als im Börsengesetz (BEHG) – keine Unterschwelle für die Meldung. Auch der Erwerb einer einzelnen Inhaberaktie muss gemeldet werden. Eine Ausnahme von der Meldepflicht besteht nur dann, wenn die betreffenden Inhaberaktien als Bucheffekten ausgestaltet sind (Art. 697i Abs. 4 revOR), die Gesellschaft eine Verwahrungsstelle in der Schweiz bezeichnet und die Inhaberaktien bei dieser hinterlegt werden.

3. Meldepflicht für qualifizierte Beteiligungen

Ab einem Grenzwert von 25% des Aktienkapitals oder der Stimmrechte gilt zudem neu die Pflicht, der Gesellschaft den wirtschaftlich Berechtigten der Beteiligung zu melden (Art. 697j revOR). Diese Vorschrift gilt nicht nur für Inhaber-, sondern auch für Namenaktien. Die Meldung des wirtschaftlich Berechtigten dürfte vor allem bei mehrstufigen Beteiligungsverhältnissen zu gewissen Schwierigkeiten in der Praxis führen. Die Meldepflicht gilt wiederum nicht, wenn die Aktien als Bucheffekten ausgestaltet sind und eine Verwahrungsstelle in der Schweiz bezeichnet ist. Ebenfalls möglich ist es, die Meldung an einen Finanzintermediär vorzusehen.

4. Bedeutung und Handlungsbedarf

In der Schweiz dürften schätzungsweise ca. 50'000 Gesellschaften von den revidierten OR Bestimmungen betroffen sein. Diese Gesellschaften müssen neu u.a. ein Verzeichnis der Erwerber der Inhaberaktien führen (Art. 697l OR). Weiter müssen Statuten und Reglemente der Gesellschaften, die mit dem neuen Recht in Widerspruch stehen, innert längstens zwei Jahren nach Inkrafttreten der revidierten Bestimmungen angepasst werden. Es besteht also für viele Gesellschaften – gerade auch für KMU – Handlungsbedarf.

Dr. Cristina von Holzen